Meine persönliche Agrarwende – ein Selbstversuch (Woche 5/52)

Nicht nur reden, sondern tun und dabei lernen – das habe ich mir für die 52 Wochen von 2022 vorgenommen. Ich lade euch ein, mich bei meinem Selbstversuch in der solidarischen Landwirtschaft zu begleiten.

„Der Boden macht das Nahrungsmittel“

Ich glaube, es gibt mindestens zwei entscheidende Hebel für unsere Gesellschaft, um die Klimakrise abwenden zu können, beide werden unser Gesellschaftssystem verändern: die Energiewende, denn eine Gesellschaft, die dezentrale Stromversorgung beherrscht und eine Energiequelle nutzt, die unbegrenzt und kostenfrei zu Verfügung steht, wird sich andere gesellschaftliche Strukturen geben müssen. Die zweite große Änderung unseres Gesellschaftssystems wird die Agrarwende sein. Ich glaube, wir werden uns als Gesellschaft überlegen müssen, wie wir in den nächsten Jahrzehnten Landwirtschaft betreiben.

Wir werden dazu unsere Ernährungsgewohnheiten umstellen und auf permakulturbasierte Landwirtschaft umstellen (siehe dazu auch “Veganismus ist nicht die Lösung der Klimakrise“). Gleichzeitig werden wir mit unseren Flächen viel schonender und produktiver umgehen müssen.  Es wird eine Landwirtschaft sein, die mit viel weniger Ressourceneinsatz (Öl, Dünger, Arbeitskraft) viel mehr aus der Fläche macht, indem sie das Land in mehreren Ebenen nutzt (Hochtechnologieansätze wie Indoor-Farming, Pilztanks usw. sind ein Irrweg). Wieder wird es, wie bei der Umstellung in der Energiewende hin zum Solarstrom, einen ganz simplen Grund dafür geben: Es ist günstiger, das Land im Permakulturverfahren zu bewirtschaften, als es konventionell zu machen.

Wir werden auch keine Alternative zum Anbau auf echten Böden finden, denn wir brauchen den Boden. Wie schon Herr Osada (siehe dazu auch mein Interview „Kreislauf-Landwirtschaft“) so ähnlich sagte: „Der Boden macht das Nahrungsmittel.“ In ihm sind die Nährstoffe und der Boden ist das wesentliche Element. Nährstofflösungen erzeugen leeres Füllmaterial, aber keine gesunde Nahrung. Doch dazu an anderer Stelle mehr.

Wie sich meine innere Agrarwende aufbaute

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Als ich begann, mich mit Permakultur zu beschäftigen, dachte ich zunächst, dass die Geschichten zu gut sind, um wahr zu sein. Doch dann stolperte ich über ein Interview mit Mark Shepard zur Idee, die Landwirtschaft völlig anders zu denken. Er nennt sein Konzept Restoration Agriculture und verbindet u. a. Elemente der Permakultur mit der Idee der Savannenlandschaft, die extrem reich an Vegetation und Fülle ist.

Ich war hooked. Wie kann es sein, dass niemand außer Shepard sieht, dass wir gar nicht genug aus unseren Böden machen, weil die existierende Landwirtschaft eine vollkommen überholte Technologie bei der Nutzung der Böden verwendet? Wir brauchen einen anderen Ansatz, einen produktiveren Weg unsere nährstoffreichen Böden zu nutzen. Also schaute ich mich um und dachte schon darüber nach, selbst einen Acker zu kaufen, um das auszuprobieren, was ich in Mark Shepards Buch: “Restoration Agriculture” gelesen hatte. Doch wie es so ist: Die Zeit vergeht und es schien mir erst einmal viel zu aufwändig, dieses Unterfangen zu beginnen.

Dann stieß ich auf Sina Wans Unternehmen Sustainable Thinking und führte ein Interview mit dieser sehr charismatischen jungen Frau. In unserem Gespräch “Nachhaltigkeitsziele gemeinsam erreichen” erklärte sie mir ihr Geschäftsprinzip des gemeinschaftsbasierten Wirtschaftens und ich war fasziniert. Sie erklärte auch, dass diese Idee ihren Ursprung in der solidarischen Landwirtschaft, kurz Solawi, hat.

Der Selbstversuch beginnt

Ihr kennt mich – wenn ich von etwas fasziniert bin, dann probiere ich es aus (Doing as a Way of Thinking). Verrückterweise hilft einem das Universum manchmal dabei, das eigene Ziel zu verfolgen.

Nun bin ich erst vor ein paar Wochen nach Moosbrunn in Niederösterreich bei Wien gezogen. Den Ort kenne ich schon lange. Doch erst jetzt durch meinen Zuzug wuchs in mir das Bedürfnis, hier in Moosbrunn auch die Art und Weise, wie ich privat lebe, nachhaltiger und ökologischer zu gestalten. Ich will meine Einstellung zur Nachhaltigkeit (siehe u. a. unseren Sustainability Report von borisgloger consulting/professionals) auch für die Gemeinschaft einbringen, in der ich jetzt lebe.

Meine Frau erzählte mir von der in Moosbrunn ansässigen Solawi Ouvertura. Ich sah meine Chance, hier kann ich lernen und vielleicht sogar Wirkung erzielen. Ich meldete mich dort an. In Wahrheit war es eine impulsive Entscheidung. Ich machte mir nicht viele Gedanken darüber, ob das jetzt richtig oder falsch sei. Es fühlte sich richtig an. Ich schaute nicht einmal wirklich auf die Website (die Pointe dazu gibt es in einem weiteren Artikel). In der Kalenderwoche 4 dieses Jahres wurde ich Mitglied. Ich wollte am eigenen Leib erfahren, wie eine Solawi funktioniert. Welche Gestaltungsprinzipien eine Solawi hat und auf welchen Grundannahmen sie basiert. Bei der Entscheidung geholfen hatte mir ein Gespräch mit Timo Wans, dem Gründer der Beratungsfirma Myzelium. Er selbst hatte eine Solawi mitgegründet und später entschieden, dass er noch mehr Unternehmen von dieser Idee begeistern will. Er erklärte mir in einem Interview (ist gerade in Arbeit und wird bald im Podcast veröffentlicht), wie gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften funktioniert und wie viel mächtiger und wirksamer es ist als das gängige marktbasierte, kapitalistische Wirtschaftssystem.

Berater-Boris auf Aus

Ich werde euch in den nächsten Wochen von meinen Erfahrungen in diesem Sektor berichten und erzählen, was ich für mich herausgefunden habe. Ich werde Fragen, die sich mir stellten, beantworten. Dabei werde ich versuchen, nicht aus der Perspektive meiner bisherigen Wirtschaftserfahrung zu urteilen, und den Impuls bekämpfen, immer sofort darüber nachzudenken, ob und wie es besser geht. Stattdessen werde ich versuchen, zu verstehen. Wenn ihr Lust habt, nehme ich euch auf diese Reise mit.

Die Reihe

Titelbild: Steven Weeks, Unsplash