Ein Interview mit Jürgen Pfeiler
In meinen Gesprächen mit den Vertretern von Unternehmen wird eines immer deutlicher: Es herrscht in vielen Branchen ein Personalnotstand. Die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind immer schwieriger zu finden. Großer Mangel herrscht an Software-Entwicklerinnen, Informatikern, Ingenieurinnen und BWLern. Wer wie ich behauptet, dass sich nachhaltiges Wirtschaften mit Hilfe von agilen Managementmethoden für Unternehmen lohnt, kommt also nicht umhin, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Ideen des agilen Arbeitens auch beim Finden und Halten von Mitarbeitern helfen können.?
Ich habe mich deshalb mit Jürgen Pfeiler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Pfeiler – Corporate Culture Consulting e.U. getroffen und mit ihm über nachhaltiges Employer Branding gesprochen. Hier findet ihr einen Auszug aus unserem Gespräch – ausführlicher werden wir uns in einem Podcast dem Thema Employer Branding widmen.
Inwiefern unterstützt deiner Meinung nach gutes Employer Branding ein Unternehmen nachhaltig?
Authentisches Employer Branding ist weit mehr als eine Ansammlung von Personalmarketing-Aktivitäten, bei denen es nur darum geht, das Unternehmen möglichst gut zu verkaufen. Meint man es wirklich ernst mit der Arbeitgeberpositionierung, dann startet eine Initiative immer im Herzen der Organisation und fokussiert sich auf die tatsächlich gelebten Werte und Verhaltensweisen. Die Mitarbeiter werden in diesem Prozess abgeholt, mitgenommen oder zumindest gut informiert. Im Endeffekt sollte sich die Belegschaft vollständig mit der erarbeiteten Positionierung identifizieren können und hinter ihr stehen. Ist das der Fall, hat man eine stabile Grundlage für weitere nachhaltige Maßnahmen und Veränderungsprozesse.
Siehst du Verbindungen zwischen deiner Arbeit am Unternehmen und den Ideen und Prozessen aus der agilen Community?
Absolut! Agiles Arbeiten hat aus meiner Sicht sehr viel mit Kultur, genauer gesagt mit Fehler- und Vertrauenskultur zu tun. Will man wirklich eine agile Ausrichtung, ist das weit mehr als die Einführung von Stand-up-Meetings oder Design-Thinking-Prozessen. Bitte mich nicht falsch zu verstehen, beides sind tolle Tools, bzw. Techniken, die agiles Arbeiten ermöglichen. Aber alleine machen sie noch keine Organisation agil. Es geht um Loslassen, das Abgeben von Verantwortungs- und Entscheidungsbefugnissen sowie um ein gewisses Grundvertrauen in die Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter. Bei der Entwicklung einer Employer Value Proposition (EVP) lässt sich sehr schnell erkennen, ob die Voraussetzungen für eine echte agile Ausrichtung gegeben sind. Will man also eine Organisation agil bzw. agiler machen, sollte man sich zuerst die Unternehmenskultur genauer ansehen und diese auch nutzen, um den Prozess richtig und nachhaltig aufzusetzen.
Wie wichtig ist in deiner Arbeit die Vision eines Unternehmens?
Die Vision ist eine der wesentlichen Säulen in einem Employer-Branding- und Kultur-Prozess. Sie gibt darüber Auskunft, wohin sich die Organisation in Zukunft entwickeln will. Das ist eine wichtige Information für bestehende Mitarbeiter als auch Job-Suchende. Denn beide Gruppen sollten sich mit der Vision identifizieren können. Ein Bewerber muss ein klares Bild darüber haben, in welche Richtung sich eine Organisation entwickeln will, um entscheiden zu können, ob er/sie den Weg mitgehen möchte. Im Zuge eines systemischen Employer-Branding-Prozesses lokalisiert man auch jene „Mitarbeiter-Touchpoints“, die wichtig sind, um die Vision für die Mitarbeiter erlebbar zu machen.
Wie arbeitest du mit Unternehmen? Welche Fallstricke gibt es da so?
Am Anfang stehen immer eine Standortbestimmung und Inventur, was es schon gibt und was schon gemacht wurde. Welche Erwartungen und Ziele hat das Unternehmen, was wird unter „Employer Branding“ überhaupt verstanden, wo ist ein möglicher Prozess aufgehängt – im Idealfall direkt beim CEO – bzw. sind alle Stakeholder involviert und viele andere Details. Hier kann auch schon der erste Fallstrick liegen, denn wenn ein Employer-Branding-Prozess nicht richtig aufgesetzt ist, ist eine nachhaltige und effiziente Umsetzung mehr als fraglich.
Eine weitere sehr populäre Falle ist, dass Organisationen nicht zu ihren identifizierten, also gelebten Werten stehen, weil sie nicht sexy genug klingen. Hier lassen sich übrigens viele Unternehmen die Chance auf einen wichtigen Differenzierungsfaktor entgehen, weil sie sich lieber so präsentieren wie alle anderen auch.
Selbstverständlich muss nicht jede Organisation sofort mit einem kompletten Employer-Branding-Prozess starten. In manchen Fällen ergibt es mehr Sinn noch zu warten, bis die Rahmenbedingungen günstiger sind. Diese Zeit kann natürlich sehr gut genutzt werden, um den anstehenden Prozess mit verschiedenen Maßnahmen vorzubereiten. Hier darf man sich jedoch nicht dazu hinreißen lassen, diese vorgelagerten Arbeitsschritte als Ersatz für einen strukturierten Prozess zu sehen.
Wenn ein Unternehmen sein Employer Branding aufbauen will: Wie sollte es vorgehen?
Vielleicht lass uns vorab nur kurz die Semantik klären, die meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Im Grunde baut man keine „Employer Brand“ auf, denn sie war schon immer da. Vielmehr schält man sie aus dem Bestehenden heraus und macht sie nach innen wie nach außen transparent und besser erlebbar. Beim Wort „aufbauen“ schwingt für mich immer das weit verbreitete Phänomen mit, etwas zu kreieren, das es nicht gibt, sich aber gut verkaufen lässt.
Wie schon gesagt, die Organisation muss den Willen und den Mut haben, sich mit den wirklich gelebten Werten und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. Daraus lässt sich automatisch ableiten, dass dieser Prozess nicht so einfach nebenbei abgewickelt werden kann. Es ist wesentlich, dass das Top-Management, am besten der CEO, hundertprozentig hinter den Maßnahmen steht. Kultur ist und bleibt Chef-Sache!
Ein zweiter wichtiger Faktor ist, die Mitarbeiter zu Beteiligten zu machen. Die Belegschaft muss in unterschiedlichen Formen und auf verschiedenen Kanälen involviert und informiert werden. Erst diese Partizipation macht es möglich, die Werte wirklich flächendeckend mit Identifikation aufzuladen. Tolle Werte, die nur von den Führungskräften formuliert und dann an die Mitarbeiter kommuniziert werden, sind zu wenig und geraten bald in Vergessenheit.
Meiner Meinung nach ist es auch essentiell, sich in bestimmten Phasen des Projekts extern begleiten zu lassen. Denn wenn man Teil des Systems ist, fehlt die Objektivität, sich auf die richtigen Themen, Geschichten und Abläufe zu fokussieren, die die Organisation wirklich repräsentieren.
Last but not least, sollte man für so einen Prozess auch ein Budget haben. Denn JA, wenn man es richtig machen will, kann es auch eine Stange Geld kosten. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Investition in keiner Relation zu den weitaus höheren Kosten steht, die durch hohe Fluktuation, ein schlechtes Image und fehlendes Engagement auflaufen.
Wie kommuniziert ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern sein Branding. Macht man zum Beispiel auch Werbespots?
Hat man bei diesem Prozess alles richtig gemacht, dann SIND die Mitarbeiter das Branding! Man spricht dann von sogenannten Social Ambassadors. Eine authentische Arbeitgebermarke, die klar macht, welcher Personentyp in die Organisation passt – der sogenannte Cultural Fit -,?
hat es in der heutigen Zeit kaum mehr notwendig, Spots zu schalten. Das positive Gefühl, die Employee Experience, die die Mitarbeiter empfinden, teilen sie im digitalen Zeitalter ganz automatisch und natürlich. Das erfolgt über Plattformen wie Facebook, Instagram und kununu, durch persönliche Stories auf Blogs, über Empfehlungsprogramme und viele andere Medien.
Das Tolle ist: Eine Employer-Branding-Initiative, die von innen heraus initiiert und gelebt wird, hat für sich alleine schon so eine hohe Strahlkraft und Wirksamkeit, dass alle zusätzlichen Maßnahmen nur noch nettes Beiwerk sind.
Lieber Jürgen, ich danke dir für das Gespräch.
Bild: employerbranding.com, corporate-culture-consulting.at