Nachhaltigkeit: Ist CO2-Kompensation Ablasshandel?

Step by step geht es auch vorwärts: Die ÖBB-App erinnerte mich kürzlich, dass ich mit meiner Fahrt im Nachtzug von München nach Wien 97 kg CO2 eingespart habe. Mein Senator-Status bei der Lufthansa ist endlich auf den Frequent Traveller zurückgestuft und fast jede Fahrt in die Stadt absolviere ich mit dem Rad. Darüber hinaus kommt der mit Ökostrom “betankte” Tesla nur für Fahrten zum Einsatz, die mit Rad oder ÖPNV schwer zu bewältigen sind. 

Wir haben begonnen, jeden angetretenen Flug von borisgloger consulting zu kompensieren. Doch das reicht uns nicht: Nach Abwägen und Rechnen konnten wir die Firma für die Jahre 2018 und 2019 mittels CO2-Kompensation klimaneutral stellen. Das sind erste Anfänge, auf die ich stolz bin. Und doch muss ich mir von Freunden und Verwandten anhören, das Kompensieren von CO2-Ausstoß durch das Einzahlen – eigentlich Investieren – in Projekte, die an anderer Stelle C02 einsparen oder sogar C02 aus der Luft herausholen, sei Ablasshandel oder “Greenwashing.” 

Ich bin völlig anderer Meinung. In dieser bestärkte mich vergangene Woche ein Podiumsredner bei einer Veranstaltung von Unternehmensgrün e.V. in Kooperation mit der GLS Bank in München. Ein Vertreter von ClimatePartner war sehr klar in seinen Argumenten – das stärkste davon möchte ich hier wiedergeben: 

Unternehmen – und auch nicht Einzelperson – können ab sofort ihre Geschäftsmodelle und gekoppelten Handlungen komplett C02-neutral abwickeln. Das braucht Zeit. Ein Beispiel: Wenn ich als Geschäftsführer von borisgloger consulting den Strom für unser Büro in Wien durch Ökostrom beziehen wollte (was wir tun), müsste ich zunächst einen Prozess in Gang setzen. Ich muss Verträge kündigen, eine Frist einhalten, einen neuen Vertrag abschließen usw. Selbst wenn ich mir überlege, dass ich weniger fliege und mehr mit dem Zug fahre, dauert all das seine Zeit. Kurz: Alle unsere Geschäftsmodelle basieren auf fossilen Energiequellen, wir nutzen also derzeit noch Produkte, bei deren Produktion C02 emittiert wurde. 

Haben wir diese Zeit? Ich glaube: nein. Klimaschutz muss schnell beginnen, am besten sofort: In acht Jahren läuft unsere Deadline ab, um das Klimaschutzziel von 1,5 Grad Erderwärmung zu erreichen. Also brauchen wir Aktionen, die just in diesem Moment wirken: Das kann mit Hilfe von Investitionen in Projekte klappen, die JETZT gerade C02 reduzieren und damit unsere eigenen Emissionen kompensieren. Mehr noch: Wir können zwar die Verunreinigungen der Vergangenheit nicht rückgängig machen, wohl aber auch diese egalisieren.

Und auch, wenn dieses Vorgehen Kritik erntet: Wir werden als Firma in den nächsten 24 bis 48 Monaten weiter unsere Emissionen ausgleichen und dasselbe werde ich als Privatperson machen. Die zwei bis vier Jahre sind zunächst als Anhaltspunkt gedacht, um ggf. in einem nächsten Schritt die Kosten für die vergangenen zehn Jahre seit Gründung hochzurechnen. 

Unser Plan: Zu unserem Jubiläum im Sommer werden wir eine Klimabilanz berechnen lassen und bekanntgeben, wie viel wir im Gesamten kompensieren müssen. Was kostet es uns, diese Klimaschulden abzutragen? Ich halte euch auf dem Laufenden.

Foto: pixabay license, marcinjozwiak