Klimabewusstsein die zweite: Wiederholt sich die Geschichte?

Wir erinnern uns: der schreckliche Sandoz-Unfall 1986. Die Umweltverbände in Deutschland schrien auf. Ortsgruppen von Greenpeace stellten sich bei klirrender Kälte auf die Rheinbrücken. Ich war einer von denen, die auf diesen Brücken standen. Ein halbes Jahr zuvor war uns der Reaktor von Tschernobyl um die Ohren geflogen. Diese Katastrophe hatte ich noch achselzuckend hingenommen, doch Sandoz trieb mich zur Wiesbadener Ortsgruppe von Greenpeace — ich wollte etwas bewegen. Mein privates Leben war damals ziemlich chaotisch und das Engagement verebbte, denn auch jeder weitere Versuch — in der Studentenschaft und und und – war wenig erfolgreich. Verfolgte man dann noch die Politik, bemerkte man: keine Chance, da wirklich etwas zu bewegen. Ich glaube, vielen von uns ging es so. Wir verzogen uns ins Private, kauften auf dem Frankfurter Wochenmarkt das erste Biogetreide und sahen, dass wir politisch nicht viel bewegen konnten. Zum Glück gab es andere, die da mehr Ausdauer hatten. Die Grünen entstanden, viele Verbände und Initiativen. Doch wie es Gerald Hüther in seinem Buch „Würde“ schreibt: Wir alle sind nun aufgeklärt, wir alle wissen um die Folgen. Doch die Bienen sterben, die Insekten sind weg, und die Meere kippen. Der eine oder andere tut etwas, und der Deutschlandfunk berichtet von Gastronomen, die ihre Plastiktrinkhalme bereits ersetzt haben, doch all das ist der Rückzug ins Private.

Ich frage mich, ob das nicht die falsche Idee ist. Klar macht es irgendwann etwas aus, wenn die ganze Welt keine Plastiktrinkhalme mehr nutzt. Doch zugleich existieren weltweit nur noch eine Handvoll Lebensmittelkonzerne, der Flugverkehr steigt jährlich und es werden mehr Benziner verkauft als jemals zuvor.

Sind wir wirklich schuldig?

Naomi Klein schreibt in ihren Büchern, dass die Erdölkonzerne genug Öl und Gasvorkommen haben, die sie ausbeuten wollen, um unsere Atmosphäre um mehr als das Fünffache zu überlasten. Und wie es Gabor Steingart in seinem Morning Briefing vom 19. März 2019 in der Zusammenfassung eines Umweltberichts schreibt, werden sich in „rund 30 Jahren 700 Millionen Menschen auf der Flucht“ vor Umweltkatastrophen befinden. Es ist bekannt, wir alle wissen es. Doch unsere Generation hat nicht gehandelt. Viele Interviews mit Menschen im Alter von 40 bis 50 Jahren bezeugen, dass sich unsere Generation schuldig fühlt. Wir hätten es aufhalten müssen, wir hätten mehr tun müssen.

Doch wieder beschleicht mich die Widerrede. Die meisten von uns sind keine Profis im Umweltschutz, kennen sich nicht damit aus, ob nun E-Autos oder Brennstoffzellen umweltfreundlicher sind. Wir sind in der Regel nicht gut genug ausgebildet, um die Folgen unseres Handelns wirklich zu verstehen und schon gar nicht sind wir in der Lage zu wissen, wie wir, das Volk, tatsächlich etwas tun könnten. Das Volk ist in der Regel damit beschäftigt, den Laden am Laufen zu halten. Wir bekommen Kinder, arbeiten in der Verwaltung und hängen hier unsere ganze Energie hinein. Ich zum Beispiel war 20 Jahre lang damit beschäftigt, der Wirtschaft ein humanes Managementsystem zu vermitteln.

Viele, die wie ich damals bereits ökologisch dachten und wussten, dass wir aufpassen müssen, wir waren einfach busy. Viele von uns waren damit beschäftigt, ihre Kinder großzuziehen und dafür genug Geld ranzuschaffen. Wir haben mit unserem Geld (Steuern) Menschen bezahlt, die dafür sorgen sollten, dass es den nächsten Generationen gut geht und die Welt ein bewohnbarer Ort bleibt. Wir haben mit unseren Steuergeldern seit Jahrzehnten die Wissenschaftler bezahlt, die seit Jahren die Klimakatastrophe voraussagen, Wir haben also eigentlich unseren Teil gemacht. Wir hätten nur die Politiker gebraucht, die auch entsprechend — in unserem Interesse — handeln.

Und wieder machen sie die junge Generation lächerlich

Doch statt ihre zweite Chance zu nutzen und zu sagen “Danke Kids, dass ihr uns endlich aufrüttelt! Ja, wir tun etwas”, blocken sie wieder ab. Es sind wieder jene Menschen, die reagieren können, es sind jene, die die Wirtschaft umbauen können, die jetzt wieder der nächsten Generation vorwerfen, dass sie keine Ahnung haben. Obwohl die Kids nur sagen: “Hört auf eure eigenen Wissenschaftler und tut endlich etwas.” Wie vor 30 Jahren wollen sie uns ins Nichtstun bringen, um wieder einer Generation sagen zu können: “Auf euch müssen wir nicht hören. Sorgt euch mal lieber um euer eigenes Verhalten. Geht mal schön noch mehr Plastik sammeln, während wir Vorschriften erlassen, die das Verpacken von allem erzwingen.”

Und das machen sie noch dazu mit schändlichen Argumenten, wie „Geht gefälligst zur Schule, damit ihr was lernt.” Sie sollen also in die Schule gehen, die, wie wir alle wissen und wie es mir mittlerweile einige befreundete Lehrer sagen, zu „Verblödungsanstalten“ umgebaut werden. Klar, denn die Elite schickt die Kids auf Montessori-Schulen oder Privatschulen, und das sogar oft in London oder sonstwo in anderen Ländern (werde ich wahrscheinlich auch tun — oder meine eigene Schule gründen).

Wo sind denn die Politiker, die es angehen wollen? Wo sind sie, die den Kids zuhören und dann endlich die Gesetze beschließen, ohne auf die Lobbygruppen der Industrie zu hören? Wo sind sie, die riskieren, nicht wiedergewählt zu werden, weil sie einfach mal das Richtige beschließen?

Wir brauchen den gesellschaftlichen Konsens, dass wir nicht vor einer Krise stehen, sondern mitten in einer Krise stecken, und wir brauchen das Führungsteam, das uns dabei hilft, da raus zu kommen. Wir brauchen Regierungen, die was tun, statt darauf zu hoffen, dass sich wieder eine Generation kurzzeitig aufreibt und dann in die Desillusionierung abgleitet. Keine Ahnung wo ihr seid! Vielleicht müssten die Umweltverbände mal eine Spiegelregierung bilden und „Gesetze“ beschließen. Damit wir alle sehen, was möglich wäre.

 

Foto: pixabay, Coffee