Spätfrühling 2022. Ich radle mit meinem Sohn durch die Felder: eine Monokultur nach der anderen zieht an uns vorbei. Getreide, Rüben, Mais, Apfelbäume, Wein, so weit das Auge reicht. Dann wieder Getreide, Soja, Mais, … Erdbeeren und natürlich der Spargel. Der Boden unter den Reben, neben den Getreidehalmen und zwischen den Maispflanzen ist trocken, hat Risse und sieht ausgezehrt aus. Insekten sehen wir kaum. Unsere Monokulturen sind steril.
Eine Reise wie durch eine Mondlandschaft und wir glauben, das wäre ein tolles Naturerlebnis.
Wir, wie auch die vielen Wanderer und Radfahrer:innen denen wir begegnen, gehen durch eine chemisch verwüstete Gegend und fahren im Grunde durch tote Landschaften. Die Radwege zwischen den Feldern sind asphaltiert; wurden ausgebaut, damit die Reifen der Räder ja gut rollen. Kolonnen an E-Bike Fahrer:innen ziehen an uns vorbei; am Weg zum nächsten Weinlokal. Dort konsumieren sie ihr Achterl, den Weißen Spritzer oder ein anderes Produkt dieser austauschbaren Agrarindustrie und sprechen dann von einem „erfüllten Wochenende“: denn man war ja draussen, in der freien Natur und hat Bewegung gemacht.
Ich hingegen sehe auf diesen Feldern nur Zucker, Zucker und noch mehr Zucker. Durch den berühmten Vortrag des Endokrinologen Prof. Dr. Robert Lustig war ich für die negativen Auswirkungen von Zucker und Kohlehydraten in unserem Körper schon sensibilisiert. Meine Sportärztin meinte dann noch, dass, neuesten Studien zufolge, erhöhte Cholesterinwerte vom Konsum von Weißmehl-Produkten, wie etwa Nudeln, Pizza, Semmeln usw. herrühren.
Der Kardiologe Dr. Pradip Jamnadas bereitet mit seinem Vortrag “The Bittersweet Truth” das Thema noch einmal ganz anders auf. Offenbar ist unsere Nahrungsmittelproduktion nicht mehr (und nicht weniger) als ein System industrialisierter Argrarwirtschaft. Seine Vortragsreihe hat mir deutlich gemacht, dass – neben der Tatsache, dass dieses System uns fast alle insulinresistent macht, uns damit zu Fetteinlagerungen und Gewichtszunahme verdammt und am Ende zum Einnehmen von Diabetes-Medikamenten nötigt – es etwas ganz anderes anrichtet: es vernichtet unsere Lebensgrundlage. Es vernichtet Biodiversität im großen Stil.
Die Monokultur ist der Root Cause: die Wurzel allen Übels.
Denn wahr ist auch, dass unsere Böden kein Wasser mehr speichern und kein CO2 mehr binden können, weil wir die Böden durch Monokulturen, die wir mit dem Einsatz von Diesel (Traktoren) beackern, zugrunde richten. So zerstören wir die Mikroorganismen im Boden. Alles nur, damit unser immer gleiches Getreide gut wächst. Dabei verhindern wir, dass unsere Böden jene Nährstoffe zurückbekommen, die sie dringend brauchen würden. Brauchen, weil wir chemische (erdgasbasierte) Dünger nutzen, statt den Boden zu mulchen und immer wieder mit Kompost abzudecken.
Wir produzieren in Massen Nahrungsmittel, die uns nach 50 bis 60 Jahren des Verzehrs oftmals krank machen.
Wer braucht denn diese gigantischen Mengen an Wein, die Brotberge und den Zucker auf den Croissants? Das Zeug ist an jeder Straßenecke zu haben und wir sind alle süchtig danach. Denn wie man heute auch weiß: Nicht nur Kaffee macht süchtig.
Nein – Zucker, Weizen und sogar Joghurt. Wer es nicht glaubt, höre sich den Vortrag von Jamnadas: “Addiction” an.
Kaffee und Zucker sollten aus gesundheitlicher Sicht tatsächlich verboten werden oder sogar als Drogen – wie etwa Kokain – eingestuft werden. Denn süchtig ist, wer sein Verhalten ändert, um einen bestimmten Stoff zu bekommen. Und wer kennt das nicht, in einem müden Moment einen Kaffee oder zur Beruhigung ein Stück Schokolade zu „brauchen“?
Tatsächlich beginnt die falsche Ernährung bereits in unserer Kindheit und als Eltern führen wir das fast alle fort: das Frühstücksmüsli für den Sproß, das vermeintlich gesund sein soll (es aber nicht ist). Die Semmel mit Nutella (Palmöl, Zucker) für die Jause, das Weckerl mit Marmelade (ja, auch ich mache diese Fehler). Nicht zu vergessen, das gute, industriell hergestellte Vollkornbrot. Der mit Kokoszucker gesüßte Aufstrich ist da auch keine Alternative – Zucker bleibt Zucker.
Wir essen unsere Böden und uns kaputt.
Wir zerstören uns und die Biodiversität, weil unsere Landwirtschaft einerseits auf Monokulturen basiert und wir andererseits überall Zucker reinmachen (und damit Monokulturen an Rüben anlegen). Und ja – auch die Haferflocken, die Müslis, das Brot – all diese Produkte basieren auf Monokulturen. Sie sind weder als Nahrungsmittel in Mengen gesund, noch fördern sie biodiverse Böden.
Sind vegane Produkte die Lösung? Geht mal in einen Supermarkt, der auf veganes Essen spezialisiert ist. Die Produkte, die ihr dort vorfindet, sind meist hochindustriell hergestellt und basieren fast ausschließlich auf Pflanzen, die weder gut für uns, noch so angebaut werden, dass sie unseren Böden förderlich sind.
Aber der Feind, den die Agrar-Industrie ausgemacht hat, ist das Fleisch. Uns wird eingeredet, es seien die Fleischproduktion – für Burger zum Beispiel – und damit die Kühe auf unseren Weiden, schuld an unserem Klimawandel. Das Mantra wir dürften kein Fleisch essen, wenn wir die Erde erhalten wollen, ist dann korrekt, wenn wir von Massentierhaltung und mit Kraftfutter (z.B. Soja, Mais) – für erhöhte Milchleistung und schnelles Muskelwachstum – hochgezüchteten Tieren sprechen. Ein Teufelskreis für alle Beteiligten: Das Kraftfutter stammt aus Soja-Monokulturen (wieder Monokulturen) in Brasilien. Tiere, die mit Mais oder Soja gemästet werden, speichern logischerweise auch die Fette, die sie essen oder wandeln Kohlehydrate (Mais) in Omega 6 Fette um. Wir essen dann (zu viel) von diesem ungesunden Fleisch.
Doch Fleisch aus artgerechter Tierhaltung (mageres Gras, überschaubare Viehherde) ist für unsere Gesundheit förderlicher als die nächste Weintraube zu essen. Und im übrigen günstiger – 100gr Bio-Weiderind sind billiger und nahrhafter als das Kilo Weintrauben oder die ach so gesunden Erdbeeren, die derzeit für 11 Euro das Kilo an den Strassenständen rund um Wien und im Burgenland verkauft werden.
Wir brauchen die Tiere auf unseren Feldern.
Wir müssen unsere Tiere auf den Felder lassen, damit ein Kreislauf entsteht und die Ausscheidungen dieser Tiere wieder die Böden anreichern. Das bedeutet, dass unsere Kühe wieder Gras fressen sollen und keine Sojabohnen aus Brasilien.
Und das bedeutet auch: Wir werden diese Tiere essen und auf diese Weise auch zu ihrer Erhaltung beitragen. Wir brauchen dort Hühner und Gänse und werden deshalb sicher auch das vielleicht nahrhafteste Lebensmittel, das “Ei”, essen. Und zu Recht, denn sein Ruf wurde verteufelt. Nein – Eier sind nicht für den erhöhten Cholesterinspiegel verantwortlich: Es sind die Kohlehydrate: Die Kiwi, die Melonen, die Bananen und die Weintrauben – denn die erhöhen den Insulinspiegel im Blut.
Doch was wir nicht brauchen sind Monokulturen auch bei unseren Nutz-Tieren. Die Massentierhaltung ist verrückt. Auch hier wieder das gleiche Bild: Monokultur. Der Ausschluss von Biodiversität. Die Schweine, die wir essen, stammen von wenigen Ebern ab. Kein Wunder, dass sich Krankheiten in diesen genetisch gleichen Schweinepopulationen rasant ausbreiten können und wir dann Antibiotika (das Pestizid in der Schweinemast) dagegen einsetzen müssen.
Wie da rauskommen? Ich habe keine Idee.
Die Pfadabhängigkeiten sind zu gigantisch. Bauernverbände, Nahrungsmittellobbyisten, die ganze Kette der “Food-Production”, die Einstellungen der Landwirt:innen, die Regeln der EU zur Landwirtschaft, die Essgewohnheiten usw.
Sie alle geben vor, wie ein westliches Frühstück, der gute Kuchen am Nachmittag, der schnelle Snack, das Fertigessen, der Brotstand am Flughafen … auszusehen hat. Und es ist daher ganz egal, wo wir hinschauen:
Wir essen unsere Böden tot, vernichten unsere Biodiversität und zerstören letztendlich unsere Lebensgrundlage.
Das es ganz anders gehen könnte, dass zeigen uns Beispiele aus aller Welt. Schaut euch gerne diesen Film an. Eine Inspiration, sicher nicht für jeden und auch nicht überall umsetzbar – doch wie immer ist das andere Extrem wichtig um zu sehen, was gehen kann.
Foto: Canva.com/PRO