Alle reden von Fokus.
Die agile Welt, aber auch gefühlt jede:r zweite YouTube-Influencer:in erklärt, wie wichtig der Fokus, die Konzentration aufs Wesentliche und der Horror des Multitaskings seien.
Fokussiertes Arbeiten als einzigartiger Service?
Da entstehen zum Beispiel Cafés, deren Service es nicht wie bisher ist, Menschen zusammenzubringen (wie etwa im charmantem Wiener Kaffeehaus Hawelka, sondern Kund:innen für die Möglichkeit des fokussierten Arbeitens zahlen zu lassen. Das geht weit über einen Co-Working-Space hinaus. Denn hier wird den gestressten Home-Office-Arbeiter:innen nicht nur ein temporärer Sitz- oder Arbeitsplatz angeboten, sondern ein Ort, an dem sie – so sie das wünschen – sogar gezwungen werden, jenen Job zu erledigen, für den sie gekommen sind. Es scheint sehr schwer zu sein, sich auf etwas fokussieren zu können.
Go with the flow!
Fokus ist die Kunst, alles um sich herum vergessen zu können. Manch eine:r braucht dazu Musik im Hintergrund. Ich hingegen kann gut in einem Kaffeehaus sitzen und mir die Leute um mich herum anschauen, um dann 2 Stunden später von meinem Laptop hochzublicken, und festzustellen, dass ich nichts um mich herum wahrgenommen habe.
Das geht, weil ich in den Flow komme. Dabei arbeite ich an einer Aufgabe, die ich gerade so meistere und die mich gleichzeitig herausfordert. Dann denke ich, wie bei einer Yoga-Übung, auch an nichts anderes.
Und jede:r – wirklich jeder: kann es: das sich vertiefen in eine Tätigkeit. Und sich in Twitter-Feeds, LinkedIn-Posts oder Facebook-Stories zu vertiefen, ist auch nichts anderes. Jede:r – wirklich jede:r kann es und da muss auch nichts gelernt werden. Was es jedoch dazu braucht, ist das blosse Nachdenken darüber, dass man jetzt fokussiert sein müsste, sein zu lassen und sich hingegen einfach mal dem Thema, der Aufgabe hinzugeben und anzufangen.
Einfach tun!
Wir üben in Workshops oft das Freewriting. Dabei bitte ich die Teilnehmer:innen 5 minutenlang drauflos zu schreiben. Und „Oh, Wunder!“, es funktioniert. Ihr Fokus stellt sich nach wenigen Sekunden ein. Es sei denn, jemand weigert sich die Übung zu machen, weil er/sie das Richtige schreiben will. Dann wird in die Luft geschaut, anstatt zu schreiben.
Wer einfach tut, egal was – solange ihm oder ihr die Aufgabe möglich ist – wird in den Flow, in den Fokus und damit in die Konzentration kommen. Gelingt das nicht, ist folglich die Aufgabe zu schwer oder die Bereitschaft zum Tun einfach nicht vorhanden.
Und im eigenen Zuhause, also im Home-Office, gilt das auch? Ja!
Allerdings gibt es hier andere mögliche Störfaktoren: die Familie und das Eigenheim. Ist das eigene Heim nämlich auch eine Art Projekt, dann könnte das Tun dafür, wichtiger erscheinen, als die eigentliche Aufgabe. Letztlich kaschiert man mit dieser „willkommenen“ Ablenkung nur, dass das Projekt, an dem man arbeitet, eventuell zu schwer oder zu angstbehaftet ist.
Und Kinder und Partner:innen? Tja, da ist es nicht anders als im Büro. Auch im Büro wird man von Kolleg:innen, die Fragen haben, unterbrochen oder abgelenkt. Hier wird jede:r seinen/ihren Weg finden müssen.
Foto: Canva.com/PRO