Der Leitspruch, der uns bei borisgloger consulting schon lange begleitet, “Doing as a Way of Thinking!“, steht genauso für meinen Schreibprozess. Ich bewundere Autorinnen und Autoren, die, bevor sie schreiben, wissen, was sie schreiben werden. Mein Schreiben ist völlig anders. Ich weiß, bevor ich in die Tasten haue, nicht, was ich schreiben werde. Vielleicht triggert mich ein Motiv, eine Aussage, ein Satz einer Person, ein Bild oder ein Gedanke. Ich lege los und dann … schreibt es in mir.
Zitate aus Büchern, die ich vor Jahren gelesen habe, fliegen mir zu. Gesprächsfetzen fallen mir ein, die manchmal Jahre zurückliegen. Gerade jetzt kommt mir Paul Austen in den Sinn. In der Episode: “Can You Tell Us the Story of America” im Zeit-Online-Podcast “Alles gesagt” sprach er darüber, dass er zu Anfang einer Geschichte ebenfalls nicht wisse, wie sie weitergehen wird. Ein Anruf führte zu einem Gedanken und dieser zu einem sehr erfolgreichen Buch. Herrlich! Ich fühle mich verbunden mit Paul Auster. Eine Schande, dass ich noch nichts von ihm gelesen habe. Ich werde dieses Versäumnis nachholen.
Als ich diesen Blog-Post begann, war mir noch nicht klar, dass ich Paul Auster erwähnen würde. Ich lasse es fließen und im Gegensatz zu Auster, der mit Stift und Papier zu Werke geht, schreibe ich am PC. Der PC hat mein Schreiben befreit, weil ich jeden falschen Satz, jede blöde Formulierung, jeden unausgegorenen Gedanken, jede Unklarheit mit einem Tastendruck wegwischen kann. Das Geschriebene ist flüchtig und kann jederzeit neu geschrieben werden. Dieses Drauflosschreiben ist befreiend. Der innere Zensor, der Blockierer wird ausgeschaltet. Zu dieser Haltung des Schreibens gehört jedoch noch eine zweite Grundeinstellung: Obwohl auch ich natürlich gelesen werden will, und mich Feedback freut, machmal nervt, selten beschämt und noch öfter ärgert, beim Schreiben ist mir der Leser egal. Muss er sein, denn ich würde mich bremsen, meinen Gedanken keinen freien Lauf lassen, würde ich an den Adressaten denken.
Das Faszinierende: Das Geschriebene findet seine Leser. Menschen, die es mögen und solche, die das Geschriebene ablehnen. Das ist ja völlig ok. Es geht darum, das Geschriebene selbst nicht zu bewerten, nicht selbst zu zensieren, sondern beim Schreiben und beim Editieren das roh behauene gedankliche Material zunächst freizulegen und dann vielleicht ein wenig zu formen.
Dabei hilft es, keine Angst vor dem Leser zu haben. Schreiben ist ein Prozess. Das Ergebnis könnte der Leser oder die Leserin gut oder schlecht finden, der gleichen Meinung sein oder die Gedanken ablehnen – doch für den Schreibenden selbst ist das Wertvolle – und oft sogar das Verändernde – das Schreiben selbst. Ein Hinweis darauf ist, dass viele Autorinnen und Autoren ihre Bücher, sind sie einmal veröffentlicht, nie wieder anschauen. Müssen sie nicht: Sie haben sich (innerlich) verändert. Wozu den Prozess noch einmal durchmachen? Das Ergebnis lädt den Leser ein, diesen Prozess der Wandlung durch den Text vielleicht nachzugehen und ebenfalls zu erfahren, wie diese Reise der Erkenntnis ausgesehen hat.
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