Der Change als Story – mit Jaana Rasmussen (borisgloger)

„In den USA ist es klar, dass man Transformationen und Change immer mit Storys denkt. In Deutschland gibt es Missverständnisse, dass Storytelling mit erfundenen Märchen und dergleichen zu tun hat.“

Jaana Rasmussen

Mein Gast: Jaana Rasmussen

Jaana ist diplomierte Kultur- und Medienmanagerin und Senior Management Consultant bei borisgloger consulting. Als Agile Coach und systemische Prozessberaterin unterstützt sie Organisationen dabei, Transformationen und Innovationsprojekte erfolgreich zu meistern. Da aber die meisten Change-Vorhaben scheitern, weil die Menschen nicht ausreichend mitgenommen werden, hat sie das Finden und Erzählen von Geschichten – also Storytelling und Storydevelopment – für Transformationen nutzbar gemacht.

Das sind drei der Hauptpunkte:

1. „Das Storytelling, das wir machen, ist das Gegenteil von Bullshitting“

Als mir auffiel, dass in unserem Unternehmen eine negative Stimmung herrschte und wir unseren internen Kommunikationskanal (damals Yammer) eigentlich nur noch dazu nutzten, negative Vibes zu verbreiten, fragte ich mich, wie ich das ändern kann. Klar war, als Führungskraft, in diesem Fall sogar Gründer und Geschäftsführer, habe ich die Aufgabe, die Stimmung im Unternehmen positiv zu beeinflussen. Was also, wenn ich mich selbst als Teil der Lösung sehe und aktiv dafür sorge, dass die Stimmung sich verbessert. Meine Idee war einfach: Ich bewertete sichtbar (durch Smileys in Emails oder als Thumbs-up bei Yammer) jede Äußerung in der Firma, die ich gut fand. Als zweite Maßnahme führten wir den „Thank You“-Friday ein. Wer immer wollte, begann (zunächst am Freitag) sich bei seinen Kolleg:innen für etwas zu bedanken (für die schnelle Lieferung eines Angebots z. B.). Tatsächlich veränderte sich das Kommunikationsverhalten im Unternehmen. Unsere Kommunikation wurde allmählich positiver und die Stimmung verbesserte sich.

Meine Story ist echt, genauso wie jene, die in Jaanas Workshops erzählt werden. Die Echtheit macht es auch für Skeptiker:innen einfacher, sich auf das Erzählte und das eigene Erzählen einzulassen. Denkt einfach einmal an eine besonders strenge Führungskraft, die nie Emotionen zeigt und nun ehrlich berührt erzählt, warum sie ihren Job liebt oder welche unglaubliche Herausforderung sie gemeistert hat. Mit nur einer Geschichte wird diese Führungskraft nahbar. Klar, das macht sie verletzlich. Aber immerhin will sie – wie ich in meiner Geschichte – erreichen, dass ihre Mitarbeiter:innen sich auf eine Veränderung einlassen. Die Emotionen werden so oder so hochkochen. Warum also nicht gleich damit starten und allen so den Einstieg in den Prozess erleichtern?

2. „Der Change beginnt mit einer Story“

Das Geschichtenerzählen – bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen – ist keine Erfindung der Moderne, und auch das Fernsehen hat sich langfristig nicht wegen der Abendnachrichten durchgesetzt. Denn Storytelling ist etwas zutiefst Menschliches. Wir lieben gute Geschichten. Versierte Geschichtenerzähler:innen werden bewundert und als kompetent wahrgenommen. Ihr erinnert euch noch an Obamas Wahlkampfauftritte (der „Yes, we can“-Wahlkampf). Mithilfe eines Top-Teams hat Obama es geschafft, seine Geschichte zu erzählen und damit zu überzeugen – immer und immer wieder.

Wenn eine Führungskraft sich zu Beginn eines Change-Vorhabens menschlich zeigt, dann begegnet ihr weniger Widerstand. Versteht mich nicht falsch: Storytelling ist das Gegenteil von Honig ums Maul Schmieren. Es ist nicht nur eine Methode, die man einsetzt, um ein bestimmtes Ergebnis zu erhalten. Das Storytelling, das Jaana vermittelt, ist analytischer. Es ist immer authentisch. Nichts wird erfunden, eigene Momente werden in eine Dramaturgie gebracht, die als Story eine strategische Wirkung erzeugt. Indem eine Führungskraft nach ihrer Story sucht, geht sie selbst dem Problem, das sie lösen möchte, ihrer eigenen Motivation und Perspektive auf den Grund. In der Folge wird es für die Kolleg:innen einfacher, sich vorzustellen und nachzuvollziehen, worum es beim Change gehen soll und warum und wie sie dabei mitmachen sollten. Deshalb ist es wichtig, dass die Story zu Beginn eines Transformationsvorhabens gefunden und erzählt wird. Auch während des Transformationsprozesses unterstützen Storys dabei, die Veränderung in Kopf und Herz der Mitarbeitenden zu verankern.

3. Was ist das Narrativ des gesellschaftlichen Wandels?

Dass der Change eine Story braucht, ist bei den deutschen Politiker:innen leider noch nicht angekommen. Seht euch einfach die ein und andere TV-Debatte vom letzten Wahlkampf auf Youtube an: Hinter dem Gesagten steht kein „strategisches Narrativ“. Denn die Kandidat:innen haben es nicht verstanden, ein Bild von der Zukunft zu zeichnen, das man ihnen abkauft. Stattdessen bedienen sie noch immer das veraltete, abgedroschene Narrativ vom Wirtschaftswachstum um jeden Preis. Jaanas Vorschlag für ein neues strategisches Narrativ: Mut zur Veränderung. Das bedeutet eine bewusste Entscheidung für Nachhaltigkeit und – Vorsicht, Reizwort – Verzicht. Aber das kann sie euch besser erzählen als ich. Hört am besten mal rein.


Hört rein, wenn ihr wissen wollt, was „weniger ist mehr“ mit Nachhaltigkeit als auch mit Agilität zu tun hat und wie euch Storytelling und Storydevelopment dabei helfen können, den Change voranzutreiben.

Lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freu mich auf eure Kommentare!

Literaturempfehlungen von Jaana

Petra Sammer: “Storytelling”

Stephen Denning: “The Leaders Guide to Storytelling” und “Springboard”

Jaana Rasmussen: “Storytelling as a guiding Leadership Principle –  framework for cocreating narratives with leaders” im Sammelband von Jacques Chlopzyk, Christine Erlach: “Transforming Organisations

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