Die Zukunft entscheidet sich in den Städten – mit Lars und Kai Zimmermann (CITIES FOR FUTURE)

Wenn du Straßen baust, dann erntest du auch Straßenverkehr. Aber wenn wir andere Infrastruktur verbessern, dann ernten wir eben auch Rad- oder Fußverkehr.“

Kai Zimmermann

Meine Gäste: Lars und Kai Zimmermann

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Lars Zimmermann studierte Architektur mit Schwerpunkt Hochbau in Hamburg. Statt in ein klassisches Architekturbüro ging er aber in die Niederlande, wo er in einer Agentur arbeitete, die so ziemlich alles machte, außer Häuser. Sein Fokus lag darin, mit Raum Geschichten zu erzählen. Aus den geplanten zwei bis drei Auslandsjahren wurden letztlich fast zehn und die Zeit in Holland hat den Architekten stark geprägt. Dort erlebte Lars, wie man die urbane Infrastruktur und Mobilität sinnvoller und menschengerechter gestalten kann. Als er schließlich nach Hamburg zurückkehrte, sah er Nachholbedarf und gründete gemeinsam mit seinem Bruder Kai CITIES FOR FUTURE.

Als Betriebswirt mit Fokus Logistik und Regionalwissenschaften beschäftigte sich Kai Zimmermann schon immer mit den Themen Mobilität und Verkehr. Nach einem Abstecher in die Logistikabteilung eines großen Konzerns ging er zurück in die Wissenschaft und schrieb seine Doktorarbeit am Institut für Verkehrswissenschaft der Uni Hamburg. Nach seiner Arbeit als freiberuflicher Dozent wurde er schließlich hauptamtlich Professor, unter anderem für BWL und Logistik. Mit den Impulsen von Lars aus dem Nachbarland sah auch Kai den krassen Gegensatz zwischen Holland und Deutschland. Er wollte selbst aktiv werden – perfekte Voraussetzungen für das gemeinsame Unternehmen.

Das sind die drei Hauptpunkte

1. Große Städte, große Herausforderungen.

„2018 lebten ca. 4,2 Milliarden Menschen in urbanen Umfeldern und Metropolen. 2030 sollen es 5,1 Milliarden sein. Das ist dann die Mehrheit der gesamten Weltbevölkerung“, sagt Lars Zimmermann. Und er verdeutlicht auch das rasende Tempo, mit dem Städte in Zukunft unser aller Leben bestimmen werden: „Wenn man diese Bevölkerungszahl und diese Zuwächse herunterbricht, dann müssen wir darüber reden, dass im Moment jede Woche eine Stadt für rund 1,5 Millionen Menschen gebaut wird.“

Lars und Kai Zimmermann denken daher in weiterer Konsequenz, dass die Städte bei steigenden Temperaturen (Klimakrise) und ständigen Mobilitätsinfarkten lebenswerter gestaltet werden müssen. Ganz konkret braucht es in den urbanen Zentren Lösungen für den Flächenfraß, die kommenden Hitzewellen, den viel zu hohen Energieverbrauch (Klimageräte), den Verkehr (E-Autos allein können hier auch nicht die Lösung sein) und den enormen Ressourcenbedarf.

Klar ist jedenfalls, dass der bisherige westliche Stadt-Lebensstil nicht skalierbar ist: „Dass diese Problematiken mit CO2 und Ressourcen im Moment so durchschlagen, liegt auch daran, dass unsere Art des Wirtschaftens, des Bauens, der Mobilität überall hin exportiert wird. Plötzlich fliegt uns das System um die Ohren“, so Lars Zimmermann. Der Club of Rome hat es schon vor 50 Jahren vorhergesehen.

2. Lebenswerte Städte: Visionen entwickeln und dann Tempo! 

Urbaner Raum lässt sich menschengerechter gestalten. Ein zentraler Hebel liegt in der Verkehrsberuhigung durch den Wechsel auf andere Verkehrsmittel als das Auto. „In den niederländischen Städten haben wir einen ganz anderen Modal Split“, erklärt Lars Zimmermann. Dort gibt es einen guten ÖPNV sowie eine hervorragende Rad- und Fußgängerinfrastruktur. Holland wollte den Umbau zu dieser Form der Mobilität. Vor 50 Jahren beklagte man noch 400 im Verkehr umgekommene Kinder pro Jahr. Der Druck der Bevölkerung brachte die Wende.

Auch Paris hat große Fortschritte vorzuweisen. Anne Hidalgos Vision, die „Stadt der 15-Minuten-Abstände“ zu schaffen, führt dort zu massiven Veränderungen. Oder Barcelonas “Superblocks”, in denen Kinder wieder auf der Straße spielen können und Familien gerne in der Stadt wohnen.

„Wir brauchen Mut und positive Visionen“, fordert Kai Zimmermann. Es gehe nicht darum, den Menschen ihr Auto wegzunehmen, sondern das Leben für alle besser zu machen. Die Stadtpolitiker:innen müssen den Bewohner:innen verdeutlichen, wie sie als Bürger:innen eine lebenswertere Stadt bekommen. Dabei tickt die Uhr: „Bürgermeister:innen müssen diese Visionen auch zügig umsetzen. Das passiert in Paris. Es ist sehr schnell sichtbar, erlebbar und fühlbar, was der Wandel wirklich bedeutet“, erzählt Lars.

3. Seid optimistisch, denn Aufgeben ist keine Option

Alle wissen: Wir brauchen in Deutschland dringend eine Verkehrswende. Trotzdem steigt die Anzahl der Autos (übrigens auch in Österreich). Was läuft da schief? Für Kai Zimmermann liegt es an der existierenden Infrastruktur. Er spricht das Problem an, das auch eine Katja Diehl immer wieder lautstark anprangert: Viele Menschen in Deutschland haben keine andere Wahl, als ins Auto zu steigen. Und diejenigen, die gerne mit dem Fahrrad fahren würden, fühlen sich oft nicht sicher auf den Straßen. Denn niemand spürt auf dem Bike gerne einen 40-Tonnen-LKW vorbeidonnern.

Lars und Kai Zimmermann stecken trotz all dieser Probleme mit ihrem scheinbar grenzenlosen Optimismus an. „Gerade weil wir die positiven Beispiele weltweit sehen, haben wir diesen Optimismus. […] Auch wenn es nur kleine Schritte sind, aber in der Summe hilft das natürlich, um die Stadt anders aussehen zu lassen und einen positiven Blick auf die Zukunft zu erhalten“, so Kai. Und Lars ergänzt: „Ich kenne niemanden, der ein Problem durch Aufgeben gelöst hat. Das ist für mich keine Option. Ich habe eine elfjährige Tochter, ich kann nicht aufgeben. Ich will auch nicht aufgeben.“


Hört einmal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freu mich über eure Kommentare!

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Foto: ©Paul Claussen