„Wir hatten über 60 Bewerber:innen und acht Pitcher:innen. Auf konventionellen Pitch-Events siehst du aber fast keine Schwarzen Menschen. Irgendetwas stimmt da nicht.“
Lucy Larbi
Vor etwas mehr als zwei Jahren kam meine Kollegin Lucy Larbi bei einem Bootcamp mit einer genialen Idee auf mich zu. Sie wollte den ersten Afrodeutschen Startup-Pitch in Deutschland auf die Beine stellen. In einer Kaffeepause fragte sie mich, ob ich sie unterstützen würde. Ich habe sofort Ja gesagt. Anfang September 2022 ging das Pitch-Event in Hamburg über die Bühne und war ein voller Erfolg. In dieser Podcast-Folge möchte ich von Lucy und Nina wissen, wie sie an das Projekt herangegangen sind, welche Herausforderungen sie überwinden mussten und was Unternehmen tun können, um die Diversität im eigenen Haus zu stärken.
Meine Gäste: Lucy Larbi und Nina Laenen
Lucy Larbi ist Management Consultant bei borisgloger und engagiert sich seit über 10 Jahren für Diversität und Inklusion. Mit Future of Ghana Germany gründete sie einen Verein, der sich für mehr Sichtbarkeit Schwarzer Menschen in Deutschland einsetzt. Das Pitch-Event AiDiA knüpft nahtlos an dieser Mission an und möchte dazu beitragen, die (oft unsichtbaren) Barrieren Schwarzer Gründer:innen abzubauen und deren Ideenreichtum einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen zu führen.
Nina Laeren arbeitet tagsüber als Strategic Relationship Manager bei borisgloger und baut Netzwerke in Frankfurt auf, vor allem in der Finance-Industrie. Nachts macht sie sich für Projekte stark, die ihr wichtig sind und Spaß machen. So war sie auch 2020 sofort Feuer und Flamme, als Lucy sie anrief und fragte, ob sie bei AiDiA mitmachen will. Mit ihrer scheinbar unendlichen Energie und ihrem Wissen aus dem Eventmanagement sorgte sie dafür, dass beim ersten Afrodeutschen Startup-Pitch alles glatt lief.
Das sind die drei Hauptpunkte
1. Wie organisiert man ein Pitch-Event, das es so noch nie gab?
Zwei Jahre haben Lucy, Nina und das AiDiA-Team ehrenamtlich den ersten Afrodeutschen Startup-Pitch geplant. „Wir haben uns alle zwei Wochen getroffen, das konnten sich alle einrichten. Dann war ich noch Teil einer Fokusgruppe, mit der es einmal pro Woche ein Treffen gab. Theoretisch bin ich auf ungefähr zwei Stunden pro Woche gekommen“, erzählt Lucy. Das Agilitätswissen meiner Kolleginnen stellte sich dabei als hilfreich heraus: „Wir konnten alles anwenden, was wir gelernt hatten”, freut sich Nina. „Starte mit einer Vision! Habe eine Roadmap! Setze ein Backlog auf! Zeige deine Ergebnisse und hol dir Feedback!“
Für die Finanzierung war ein eigenes Fundraising-Team zuständig. Neben klassischer Telefonakquise setzte man vor allem auf eigene Kontakte und deren Kontakte. Zudem gab es eine gelungene Crowdfunding-Kampagne und Lucy sprach gezielt auch Unternehmen an, die aufgrund ihres Diversity-and-Inclusion-Ansatzes Interesse an einem Sponsoring haben könnten. Mit viel Hartnäckigkeit hat es AiDiA geschafft, neben borisgloger u. a. auch Unternehmen wie PayPal, snipes und die Otto Group als Sponsoren zu gewinnen.
Fehlten nur noch die Stars des Abends. Um Schwarze Gründer:innen auf das Event aufmerksam zu machen, rührte das Team in bestehenden Netzwerken, bei Vereinen und online kräftig die Werbetrommel. Auch in der Stadt sei man nicht an AiDiA vorbeigekommen, erzählt Nina: „Wir haben Menschen in Hamburg unseren Flyer in die Hand gedrückt und gefragt: Kennst du Afrodeutsche Gründer:innen oder Black-owned Businesses?“ Das Resultat kann sich sehen lassen. Es kamen Gründer:innen aus ganz Deutschland und mit über 370 Besucher:innen war das Event ein voller Erfolg.
2. Freut euch über kritisches Feedback – auch wenn es wehtut.
Wenn man als Gründer:in mit einer Idee am Markt ankommt, sieht alles immer ganz einfach aus. Lucy lacht: „Wenn die Leute wüssten, was hinter den Kulissen so passiert.“ Um möglichst schnell Feedback von außen zu erhalten, hat das AiDiA-Team eine Stakeholder-Runde veranstaltet. Eingeladen waren Leute von Pinterest und PayPal, eine Marketingagentur und ein Investor. Lucy, Nina und die Kolleg:innen stellten ihnen die Idee vor und beantworteten im Anschluss die Fragen. „Wir waren voller Stolz und dachten, dass wir nur gutes Feedback bekommen würden“, erinnert sich Lucy. Stattdessen sahen sie sich fast nur mit negativem Feedback konfrontiert.
Die Stakeholder kritisierten, dass der Business Case fehlen würde und die Umsetzung schwierig wäre. Generell schien ihnen nicht klar zu sein, was der Zweck dieses Event sein sollte. Für das Team war das im ersten Moment ein herber Rückschlag. Doch die gemeinsame Vision war stark genug, um diesen Rücksetzer zu verdauen, und es gelang, wichtige Erkenntnisse aus dem zermürbenden Feedback abzuleiten. „Es hat gezeigt, dass wir A) unsere Vision für Dritte noch besser formulieren müssen, und B) wir noch weitere Artefakte, Dokumente und Produkte brauchen, die unsere Vision stärken“, fasst Lucy zusammen. Ja, negatives Feedback kann wehtun, aber darin stecken wertvolle Hinweise, woran man noch arbeiten muss. Alles richtig gemacht.
3. Diversität setzt ehrliches Interesse voraus.
Braucht es ein Pitch-Event speziell für Schwarze Gründer:innen? Nach der ersten Ausgabe von AiDiA ist klar: Ja, genau das braucht es. „Wir hatten über 60 Bewerber:innen und acht Pitcher:innen. Auf konventionellen Pitch-Events siehst du aber fast keine Schwarzen Menschen. Irgendetwas stimmt da nicht“, resümiert Lucy. Denn viele dieser Menschen seien noch gar nicht so weit, zu glauben, dass sie teilnehmen können. Der oft starke Tech-Fokus bei den Events scheint dieses Gefühl noch zu verstärken, wie Nina kritisiert: „Da geht es immer um dasselbe. Sei der nächste große Tech-Entrepreneur! Mach etwas mit Web 3.0! Wir wollen Blockchain sehen. Diese Realität findet in unserer Gruppe nicht primär statt.“ Wie die meisten fokussieren auch Schwarze Entrepreneure auf Defizite, die sie in ihrer eigenen Lebenswelt sehen – und da ist Diskriminierung immer noch ein großes Thema.
Mit „unsichtbaren Barrieren“, wie Lucy sie nennt, kämpfen nicht nur Gründer:innen, sondern auch Schwarze Arbeitnehmer:innen in Deutschland. Viele Firmen haben zwar begriffen, dass hier unfassbar viel Kompetenz schlummert, und investieren Geld, um diese Menschen anzusprechen. Lucy glaubt aber, dass eine schlichte Einladung zu wenig sei. Wer mehr Diversität im Unternehmen will, muss Beziehungen aufbauen – und das langfristig, nachhaltig und ehrlich (vgl. auch mein Gespräch mit Robert Frasch zum Thema Frauen in Lehrberufen). Wie schaffe ich das? Nina gibt konkrete Empfehlungen: „Schritt eins ist die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema. Wo will ich eigentlich hin? […] Dann geht zu den Expert:innen und lernt die Menschen kennenlernen. Gemeinschaftlich-partizipativ überlegt man dann: Was können wir tun, um in die Zusammenarbeit zu kommen?“
Was tut ihr in eurem Unternehmen, um Diversität zu fördern? Meldet euch doch bei Lucy und Nina, wenn ihr selbst in eurem Unternehmen Projekte angehen wollt – oder ihr in Sachen Diversität nicht so gut vorankommt, wie ihr das gerne hättet. Die beiden sind bestens in der Black Community vernetzt. Sie leihen euch bestimmt ein offenes Ohr!
Hört einmal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freu mich über eure Kommentare!
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