Was bedeutet Nachhaltigkeit in der Chemiebranche, Sabine Schellander (Semperit)?

In den 90ern habe ich wie viele mit Greenpeace demonstriert, dann sind wir alle in die Wirtschaft gegangen, und die Ambitionen für die Umwelt sind verebbt. Jetzt kommt das Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch dank Greta Thunberg und Fridays for Future allmählich aus der Nische des Jugendaktivismus in die Wirtschaft.

Menschen, die sich einen Namen als Nachhaltigkeitsexpert:innen gemacht haben, verlassen ihre NGOs oder Nachhaltigkeits-Start-ups, um Unternehmen mit traditionell umweltschädlichen Geschäftsmodellen zu transformieren, und werden mit offenen Armen empfangen. Sabine Schellander ist so ein Mensch: Sie stellt sich der großen Aufgabe, den kunststoff- und kautschukverarbeitenden Konzern Semperit in Österreich nachhaltiger zu machen.

Mein Gast: Sabine Schellander

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Sabines Studium der Landschaftsplanung und -pflege an der Universität für Bodenkultur in Wien hätte sie eigentlich für eine Nachhaltigkeitskarriere prädestiniert. Aber da solche Karrieren vor 20 Jahren noch ungewöhnlich waren, kam es erst vor gut zehn Jahren dazu. Sie verließ ihren Job im Marketing und schlug ihren Weg in die Nachhaltigkeitskommunikation ein. Heute treibt sie als Group Sustainability Managerin von Semperit Nachhaltigkeitsprojekte an. Nebenbei schloss sie das Studium „Social Innovation“ an der Donau Uni Krems ab und ist Mitglied des CSR-Circles Österreich. Kürzlich betitelte das Industriemagazin sie passenderweise als „Öko der Industrie“ (in: „Agrana bis Semperit: So ticken die Ökos der Industrie“).

In 3 Punkten: Was ist Nachhaltigkeit, Sabine Schellander?

1. Ein Mindset

Zu dem es gehört, Rücksicht zu nehmen, zukunftsorientiert zu handeln, verrückte Ideen zu haben, viele Themen, viele Stakeholder, Erwartungen, Anforderungen, Investoren, Mitarbeitende, Ressourcen mitzudenken. Und das alles mit dem Blick auf die Langfristigkeit. Weiters zu wissen (bzw. darauf zu vertrauen/zu beharren), dass es funktionieren wird, auch wenn das Wie noch nicht klar ist. Das gehört für Sabine zur Nachhaltigkeit und speziell zu ihrem Job.

Allen, die schon mal von Agilität gehört haben, wird auffallen: Das nachhaltige Mindset und das agile Mindset decken sich in einigen Punkten – was nicht heißen soll, dass alles, was agil ist, automatisch nachhaltig ist. Wir haben noch viel vor uns. Aber Agilität hat definitiv das Potential, Unternehmen bei der Nachhaltigkeitstransformation nützlich zu sein.

2. Leitgedanke, Strategie und Ziel

Nachhaltigkeit ist ein Potpourri an Interessen und Anreizen verschiedener Stakeholder:

  • ein Herzensthema einzelner oder vieler, wenn im Unternehmen die Stimmen dafür laut werden
  • eine Frage der Risikoabwägung
  • Druck von Investoren, Lieferanten, der öffentlichen Hand (Stichwort: EU-Taxonomie und Lieferkettengesetz), Kund:innen, Mitarbeiter:innen. Die Frage, ob der Kautschuk nachhaltiger sein kann, ist schon lange keine mehr, die sich Semperit im stillen Kämmerlein alleine stellt.

3. Beschränkung auf das Wesentliche

Alle Probleme anzugehen, sei zwar heroisch, aber nicht zielführend. Deshalb empfiehlt Sabine Unternehmen, die die Nachhaltigkeitstransformation starten wollen, zuerst zu fragen: „Wer bin ich? Womit arbeite ich? Wo wirke ich mit meiner Tätigkeit? Wo habe ich einen Hebel? Was will ich verbessern?“ Zum Start gehören für sie viele Mindmaps, um einen Überblick zu schaffen und sich dann auf die sinnvollen, wesentlichen Punkte festzulegen.


Hört einmal rein, wenn ihr von Sabine und mir mehr über diese Themen sowie über die Zukunft der Rohstoffversorgung und Kreislaufwirtschaft hören wollt. Lasst mich wissen, was eure Gedanken sind.

Die Bücher von Fred Luks, die Sabine empfiehlt, findet ihr hier.

Mehr Podcast-Folgen rund um Nachhaltigkeitsthemen findet ihr hier.

Bild: © Semperit AG Holding, Arthur Michalek