„Es gibt eine Kluft zwischen den Debatten. Geschäftsleute sprechen oft darüber, dass die Jugend die Zukunft ist, aber es sind keine jungen Menschen im Raum.“
Mein Gast: Kathleen Hamilton
Ich war ein Teenager, als wir in Deutschland sowohl im Fernsehen als auch in der Schule mehr und mehr über den Kalten Krieg lernten. Wir schauten uns die Waffenarsenale im Osten und Westen an und es kam zur Debatte, ob wir Pershing II stationieren sollten. Es gab eine Friedensbewegung und Ostermärsche. Die Bedrohung durch die Supermächte fühlte sich damals real an und ich erinnere mich noch sehr genau an meine Tagträume darüber, wie ich mich im Fall eines Nuklearschlages retten würde. Später erklärte mir ein Therapeut, dass diese Fantasien eine Bewältigungsstrategie der Psyche sind, um mit der Angst umzugehen.
Heute gibt es eine neue Sorge, die junge Menschen plagt: die Eco Anxiety, eine für viele sehr belastende Sorge, ja eine Angst davor, wie sich unsere Lebensgrundlagen als Folge des Klimawandels verändern werden. Der IPCC Report macht deutlich, dass diese Angst begründet ist: Wir steuern auf dramatische Bedingungen zu und derzeit sieht es so aus, dass wir bei einer durchschnittlichen Klimaerwärmung von 2,3 °C ankommen werden. Es könnte sogar sein, dass sich die Strömungsrichtung im Atlantik sehr bald ändern wird. Diese Sorge belastet immer mehr Menschen und wie jede Sorge, die einen ohnmächtig dastehen lässt, kann sie schwerwiegende Folgen für das eigene Leben haben. Doch gibt es Bewältigungsstrategien dafür – vielleicht bessere als die Flucht in Tagträume? Diese Frage beantwortet Clover Hogen in diesem wunderbaren TEDx Talk: What to do when climate change feels unstoppable. Sie hat Force of Nature gegründet, um junge Menschen dabei zu unterstützen, mit dieser Sorge produktiv umzugehen und sie in Aktion zu verwandeln. Ich hatte die Möglichkeit, Kathleen Hamilton, Programmes and Partnerships Director bei Force of Nature und außerdem eine enge Freundin der Gründerin, zu interviewen, um mehr über Eco Anxiety, Force of Nature und die Arbeit des Unternehmens zu erfahren.
Das sind die drei Hauptpunkte
1. Wir müssen die Klimaangst der jungen Generationen ernst nehmen
In den letzten 100 Jahren haben wir die Welt an die Wand gefahren und hinterlassen der jüngeren Generation eine tickende Klima-Zeitbombe. Aber nicht nur das. Wir verlassen uns auch noch darauf, dass es diese Generation dann schon irgendwie richten wird. Wenn man Teenagern solche Lasten auf die Schultern lädt, darf man sich nicht wundern, wenn immer mehr junge Menschen eine Klimaangst entwickeln.
Klimaangst, oder Eco-Anxiety, ist ein relativ neues Phänomen, das mit einer Reihe von Emotionen wie Stress, Überforderung, Unsicherheit und existentieller Angst einhergeht. Das Fatale daran: Klimaangst ist keine Angst im evolutionären Sinn, die zu einer Handlung führt (Gefahr ? lauf!), sondern hat einen lähmenden Effekt, weil das Thema Klimawandel zu komplex für einfache Lösungen ist. „Wir haben nicht die Fähigkeit, mit etwas so Großem und Komplexem umzugehen“, fasst Kathleen Hamilton zusammen.
Force of Nature wurde gegründet, um dieses Gefühl zu adressieren. Nicht als NGO, wie man erwarten würde, sondern als Firma. Clover Hogen ist also eine Entrepreneurin, deren Organisation wir zu den Social Businesses zählen müssen. Force of Nature entwickelt u.a. Programme für Schüler:innen, um die Angst auf persönlicher Ebene zu verstehen und zu kanalisieren, damit sie in ihrem Wirkungsbereich etwas gegen den Klimawandel unternehmen können. Auf der anderen Seite arbeitet Force of Nature aber auch mit Unternehmen zusammen. Dabei erzählt mir Kathleen Hamilton, dass die Mitarbeiter:innen in den Unternehmen oft ähnlich ratlos sind wie die Schüler:innen selbst: „Die Menschen glauben, dass sie als Einzelne nichts bewirken können oder das Problem zu groß ist, um etwas zu verändern.“ Kathleen und ihr Team zeigen, dass es für jede:n Wege gibt, zu handeln. Dabei gilt: Think small statt big!
2. Beim Austausch zu Klimathemen in Unternehmen gibt es noch Luft nach oben
Als wir bei borisgloger begonnen haben, über Nachhaltigkeit nachzudenken, ist mir etwas aufgefallen. Man neigt dazu, sich gerade anfangs schnell in Überlegungen zu verstricken wie „Ich trenne doch meinen Müll“ oder „Ich habe keine Zeit, ich muss meinen Job machen, auf meine verrechenbaren Stunden kommen“. Veränderung ruft immer Widerstand hervor, aber durch den offen geführten Diskurs entsteht auch ein neues Denken. Es hat ein bisschen gedauert, doch wir haben dann erkannt, dass wir sehr wohl mehr tun können.
Kathleen Hamilton hat ähnliche Erfahrungen in Unternehmen gemacht: „Ich glaube, dass es die Aufgabe der Führungskräfte ist, eine Umgebung zu schaffen, in der Menschen darüber sprechen können, was ihnen wichtig ist, wovor sie Angst haben und was sie motiviert.“ Das ist offenbar aber noch nicht selbstverständlich. Nach Workshops in Unternehmen erhält Force of Nature immer wieder ein ähnliches Feedback: „Ich habe noch nie vor anderen Menschen über dieses Thema gesprochen“ oder „Ich habe nicht gewusst, dass andere so denken“. Genau diesen Austausch brauche es aber, um zu Lösungen zu kommen. Wenn ich weiß, was den Menschen im Unternehmen wichtig ist, wird es mir auch leichter fallen, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und diese mit der Business-Strategie zu verknüpfen. Wir erleben also auch in Unternehmen ein Ohnmachtsgefühl, und es ist Aufgabe von uns Unternehmer:innen, unsere Kolleg:innen dabei zu unterstützen, Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
3. Wir brauchen junge Menschen in Führungspositionen
Das Klimaproblem wird nicht nur für die FFF-Generation, sondern für uns alle stetig dringlicher. Mit dem Klima kann man nicht verhandeln und wir alle müssen Wege finden, damit umzugehen. Vor allem wir Führungskräfte haben dabei die Verantwortung, einen Austausch mit jungen Menschen zu starten, was aktuell noch viel zu selten geschieht. Gerade in den Führungsetagen von großen Unternehmen werden zwar aktivistisch Nachhaltigkeitsmaßnahmen beschlossen, CO2-Zertifikate gekauft und Berichte darüber veröffentlicht und in den Vorstandssitzungen wird pflichtbewusst debattiert, wie man Verantwortung übernehmen und was man besser machen kann. Die Ironie daran: Oft versuchen dann diejenigen, das Problem zu lösen, die jahrzehntelang ein Teil davon waren – und das, ohne mit denen zu reden, die ihr Handeln am meisten betrifft. Kathleen Hamilton ortet dabei einen fehlenden generationenübergreifenden Diskurs: „Es gibt eine Kluft zwischen den Debatten. Geschäftsleute sprechen oft darüber, dass die Jugend die Zukunft ist, aber es sind keine jungen Menschen im Raum.“ Daher kommt der Vorschlag, diese Generation schneller in die Steuerung von Unternehmen zu lassen, sie schon jetzt nicht mehr nur zuhören, sondern aktiv handeln zu lassen.
Force of Nature hat einen Weg gefunden, mit Unternehmen in den Dialog zu gehen. Das Unternehmen unterstützt junge Menschen dabei, in verantwortungsvolle Positionen zu kommen, in denen sie wirklich etwas bewirken können: in die Vorstände, in die Politik und auf die öffentlichen Redner:innen-Bühnen. Es ist Zeit, dass wir sie machen lassen.
Wie wird das Klimathema bei euch im Unternehmen diskutiert und welche Rolle nehmen jüngere Menschen dabei ein? Hört mal in den Podcast rein und lasst mich wissen, was ihr dazu denkt! Ich freu mich über eure Kommentare.
Das könnte euch auch interessieren:
Aus meinem Podcast:
- Auch Unternehmen können und sollen Aktivisten sein – mit Stefanie Summerauer (Visionistas)
- Nachhaltigkeitsziele gemeinsam erreichen – mit Sina Wans
- Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften: Macht es wie Oma! – mit Timo Wans (MYZELIUM)
Aus meinem Blog:
- Widerstand ist eine Funktion von Nicht-Können – oder warum sich in der Klimafrage so wenig bewegt
- Wir brauchen den Paradigmenwechsel jetzt
Aus dem borisgloger-Blog
Von Force of Nature:
- Denial or Despair? How to rewrite your climate change story – TED-Talk von Clover Hogan, Gründerin von Force of Nature
- Podcast von Force of Nature
Let young people take charge – with Kathleen Hamilton (Force of Nature)
“There is a gap between the conversations happening. Folks in business often talk about how the young are the future, but there are no young people in the room.”
My Guest: Kathleen Hamilton
I was a teenager when we learned more and more about the Cold War in Germany, both on TV and in school. We looked at the arsenals in the East and West, and there was a debate about whether we should deploy Pershing II. There was a peace movement and Easter marches. The threat from the superpowers felt real at the time, and I remember very clearly daydreaming about how I would save myself in the event of a nuclear strike. Later, a therapist explained that these fantasies are a coping strategy of the mind to deal with fear.
Today, there is a new worry plaguing young people: Eco Anxiety, a very stressful concern for many, indeed a fear of how our livelihoods will change due to climate change. The IPCC report confirms that this fear is legitimate: We are heading for dramatic conditions, and at present, it looks like we will arrive at an average climate warming of 2.3 °C. It could be even possible that the flow direction in the Atlantic will change very soon. This worry is weighing on more and more people, and like any worry that makes you feel powerless, it can have severe consequences for your life. But are there coping strategies for this – perhaps better ones than escaping into daydreams? Clover Hogen answers this question in this wonderful TEDx Talk: What to do when climate change feels unstoppable. She founded Force of Nature to help young people deal with this concern productively and turn it into action. I had the opportunity to interview Kathleen Hamilton, Programmes and Partnerships Director at Force of Nature and a close friend of the founder, to learn more about Eco Anxiety, Force of Nature, and the company’s work.
These are the three main points
1. We need to take the climate fears of the younger generations seriously
We have destroyed our world in the last 100 years, leaving the younger generation with a ticking climate time bomb. But not only that. We are also relying on this generation to fix it somehow. If you put such burdens on teenagers’ shoulders, you shouldn’t be surprised if more and more young people develop eco-anxiety.
Eco-anxiety is a relatively new phenomenon that goes hand in hand with a range of emotions such as stress, excessive demands, insecurity and existential fear. The fatal thing is that eco-anxiety is not a fear in the evolutionary sense that leads to action (danger ? run!) but has a paralysing effect because the issue of climate change is too complex for simple solutions. “We are not equipped to deal with something so large and complex”, sums up Kathleen Hamilton.
Force of Nature was founded to address this feeling. Not as an NGO, as one would expect, but as a company. Therefore, Clover Hogen is an entrepreneur whose organisation we must count as a social business. Among other things, Force of Nature develops programmes for students to understand and channel fear so that they can do something about climate change in their sphere of influence. On the other hand, Force of Nature also works with companies. Kathleen Hamilton tells me that employees in companies are often as perplexed as the students themselves: “People believe that they can’t make a difference as individuals or that the problem is too big to change.” Kathleen and her team show that there are ways for everyone to act. The motto is: Think small instead of big!
2. There is still room for improvement in discussing climate issues in companies
When we at borisgloger started thinking about sustainability, I noticed something. There is a tendency, especially at the beginning, to quickly get caught up in considerations such as “I’m already separating my rubbish” or “I don’t have time; I have to do my job, get to my billable hours”. Change always causes resistance, but a new way of thinking also emerges through open discourse. It took a little while, but we realised that we could do more.
Kathleen Hamilton has had similar experiences in companies: ” I think for business leaders, it’s about how you create an environment where people can talk about what they care about, what they’re afraid of and what motivates them.” But that’s not always possible yet. After workshops in companies, Force of Nature receives similar feedback again and again: “I have never talked about this in front of other people.” or “I didn’t know that others thought this way”. But it is precisely this exchange that is needed to find solutions. If I know what is important to the people in the company, it will be easier for me to develop a sustainability strategy and link it to the business strategy. So we also experience a feeling of powerlessness in companies, and it is the task of us entrepreneurs to support our colleagues in developing coping strategies.
3. We need young people in leadership positions
The climate problem is becoming more and more urgent not only for the FFF generation but for all of us. The climate is not negotiable, and we all have to find ways to deal with it. Above all, we leaders are responsible for starting an exchange with young people, which is still happening far too rarely. Especially on the executive boards of large companies, sustainability measures are adopted in an activist manner, CO2 certificates are bought, and reports are published. In board meetings, there is a dutiful debate on how to take responsibility and what can be done better. The irony is that often those who have been part of the problem for decades try to solve it without talking to those their actions affect most. Kathleen Hamilton identifies a lack of intergenerational discourse: “There is a gap between the conversations happening. Folks in business often talk about how the young are the future, but there are no young people in the room.” Hence the suggestion to let this generation into the governance of companies more quickly, to let them take action rather than just listening.
Force of Nature has found a way to engage in dialogue with companies. The company supports young people in getting into positions of power where they can make a difference: on boards, in politics and on public speaker stages. It’s time we let them do it.
How is the climate issue discussed in your company, and what role do younger people play in it? Listen to the podcast, and let me know what you think! I look forward to your comments.