„Wenn die Leute bei dir arbeiten wollen, dann musst du dir keinen Kopf über die Produktivität machen. Solche Menschen machen immer die bestmögliche Arbeit, auch wenn du das kaum messen kannst.“
Leider ist die Audio-Qualität von diesem Gespräch schlechter ausgefallen als sonst. Aber da es ein wirklich spannender Beitrag ist, wollte ich ihn euch trotzdem nicht vorenthalten. Ein zweites Gespräch mit Gregor und mir ist bereits in Planung. Diesmal wissen wir, worauf wir besser achten müssen.
Mein Gast: Gregor Groß
Der Weg von alpha-board zur Agilität liest sich wie eine gute Geschichte. In der Hauptrolle: der Geschäftsführer Gregor Groß, der den Mut aufbringt, die in der Software gängigen agilen Methoden für die Hardwareentwicklung zu adaptieren. Nach anfänglichen Erfolgen trifft er auf Widerstand und die Transformation gerät ins Stocken, weil die Kund:innen den Vorteil zu wenig verstehen. Während das Unternehmen schon auf dem Weg zurück zum „Business as usual“ ist, kommt es durch eine glückliche Wendung doch noch einmal anders. Dank eines Fehlers landen beim Relaunch der Website wieder die alten Inhalte zur agilen Hardwareentwicklung im Netz. Genau zum richtigen Zeitpunkt. Das Telefon klingelt und Gregor Groß hebt ab. Am anderen Ende der Leitung: ein Unternehmen, das genau danach gesucht hat und in weiterer Folge zu einem wichtigen Kunden wird.
Das sind die drei Haupterkenntnisse
1. Fokus führt zu besseren Ergebnissen
Die Hardware von alpha-board fliegt in Satelliten um die Erde, findet Einsatz bei Wearables und wird besonders bei Automatisierungsprozessen und in der Medizintechnik eingesetzt. Vor einigen Jahren habe ich mit Gregor Groß und seinem Team zusammengearbeitet und sie bei der agilen Transformation beraten. Dementsprechend gespannt war ich vor unserem Gespräch, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Bei alpha-board heißt der Sprint „Takt“ und auch sonst machen die Mitarbeitenden nicht immer alles streng nach dem agilen Lehrbuch. Das müssen sie aber auch gar nicht. Es geht ohnehin darum, individuell funktionierende Prozesse zu gestalten, um bessere Hardware zu entwickeln. Das dürfte gelungen sein, wie mir Gregor berichtet: „Wir machen mehr Umsatz, haben weniger Reklamationen und sind bisher auch gut durch Corona gekommen.“ Das könnten natürlich Zufälle sein, aber für mich kommt bei seinen Beispielen klar heraus, was sich wirklich verändert hat: Sein Unternehmen hat den Fokus gefunden.
Eine einzelne Person arbeitet nur noch an einem Projekt und es stehen die richtigen Tools zur Verfügung, die ein konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Dank Plannings weiß jede:r Mitarbeiter:in genau, was zu tun ist, und in den Retros wird die Zusammenarbeit kontinuierlich nachgeschärft. Mit Ausbruch der Pandemie war die Transformation des Unternehmens schon so weit fortgeschritten, dass ein schmerzloser Umstieg auf die Heimarbeit möglich war.
2. Bei der Produktivität ist Vertrauen gut und Kontrolle sinnlos
Ich sehe in unserem Unternehmen jeden Tag, wie produktiv meine Kolleg:innen und ich im Homeoffice arbeiten können. Das liegt auch daran, weil nicht so viel Zeit für die Anfahrt ins Büro oder zu Terminen verloren geht und mehr Freizeit bleibt. Wenn Führungskräfte nach mittlerweile zwei Jahren Pandemie ihre Mitarbeiter:innen jetzt wieder ins Büro verpflichten wollen, dann halte ich das schlicht und einfach für einen Rückschritt. Gregor Groß ortet in der Skepsis gegenüber dem Homeoffice in erster Linie ein Vertrauensproblem: „Ich glaube, dass viele Führungskräfte wegen der fehlenden Kontrolle ein Problem mit der Heimarbeit haben. Wenn du die Mitarbeiter:innen in ein Großraumbüro setzt, kannst du sie beobachten und hast quasi Kontrolle. Aber das ist eine Illusion.“
Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Nur, weil ich im Büro sitze, heißt das noch lange nicht, dass ich vorankomme. Ein Raum mit ein paar Tischen macht noch keinen produktiven Arbeitsplatz. Gregor Groß sieht eher auf der Beziehungsebene Handlungsbedarf: „Wenn die Leute bei dir arbeiten wollen, dann musst du dir keinen Kopf über die Produktivität machen. Solche Menschen machen immer die bestmögliche Arbeit, auch wenn du das kaum messen kannst.“ Um die Basis dafür zu schaffen, braucht es Vertrauen, ein wertschätzendes Umfeld und vor allem Purpose. Die Produktivität, die daraus entstehen kann, ist zwar nicht unmittelbar messbar, zeigt sich aber dann im großen Ganzen: an der Produktqualität, der Kundenzufriedenheit und insgesamt am Unternehmenserfolg. Genau dafür sind Führungskräfte verantwortlich. In diesem Sinn sollten wir es uns kompromisslos zur Kernaufgabe machen, Vertrauen auf- und Kontrollmechanismen abzubauen.
3. Sechs Stunden Arbeit am Tag sind genug
Alle, die mit dem Kopf arbeiten, kennen das: Man setzt sich hin, arbeitet zwei Stunden konzentriert an einem Thema und plötzlich geht einem die Luft aus. Nach einer längeren Pause gelingt das vielleicht noch ein zweites Mal am gleichen Tag, aber das war es dann. Warum also jeden Tag acht Stunden in der Arbeit heruntersitzen, wenn wir doch wissen, dass es nichts bringt?
Gregor Groß und seine Mitarbeiter:innen arbeiten nur noch sechs Stunden am Tag. Das sollte zunächst eigentlich nur ein Experiment sein. Als dann das Homeoffice Thema wurde, haben sie es bei dieser Regelung einfach belassen – und es funktioniert: „Wenn du fünf bis sechs Stunden voll konzentriert arbeitest, machst du dir die Zeit knapp. Du fängst an, zu überlegen, was der ganze Mumpitz ist, den du hier jeden Tag machst, und sortierst überschüssige Meetings, Chats usw. einfach aus.“
Weniger arbeiten, um mehr zu erreichen – das klingt doch zu schön, um wahr zu sein, oder? Die Erfahrung zeigt, dass es klappt, und neben der Qualität lassen sich so auch Motivation und Zufriedenheit erhöhen. Gregor erklärt das ganz pragmatisch: „Während andere noch arbeiten, kannst du schon einkaufen gehen oder das Kind abholen. Am nächsten Tag freust du dich, dass du jetzt nur sechs Stunden in die Arbeit gehst und machst das mit richtig Elan, weil es überschaubar ist.“ Meine klare Empfehlung: Stellt euren inneren Workaholic einfach mal auf stumm und probiert es aus!
Hört mal rein in den Podcast und holt euch praxisnahe Eindrücke aus dem agilen Arbeiten in der Hardwareentwicklung. Lasst mich gerne in den Kommentaren wissen, was Ihr denkt!
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