„Es war genau richtig, mit der Vision zu starten, einen Wald zu pflanzen. Wenn wir gesagt hätten, dass wir nur 100 Bäume pflanzen, wären es vielleicht niemals mehr geworden.“
Mein Gast: Martin Wintz
Martin Wintz ist Innovationsmanager beim regionalen Energieversorger Rheinische Energie AG und hatte einen großartigen Einfall für ein Nachhaltigkeitsprojekt: mal eben einen ganzen Wald zu pflanzen. Die Eingebung für diese Idee kam dem kreativen Kopf – wie das eben oft so läuft – nicht im Büro, sondern beim gemütlichen Zusammensitzen mit zwei Freunden, die aus ihren Start-ups ein dynamischeres Umfeld gewohnt waren als Martin beim traditionsreichen Energieversorger. Aus der Diskussion wurde eine Wette: „Wir sind zwar nicht so schnell wie ihr, dafür können wir große Sachen stemmen, wie zum Beispiel einen Wald zu pflanzen.“ Gesagt, geliefert. Als Gewinner dieser Wette ging nicht nur Martin (mit einem Kasten Bier als Preis) hervor, sondern auch das Unternehmen selbst, das zu seinem 150-jährigen Jubiläum ein tolles Projekt realisieren konnte. Darüber hinaus profitiert die gesamte Region, in der jetzt 12.000 neue Bäume stehen.
Ich wollte von Martin Wintz ganz genau wissen, welche Erfahrungen er mit diesem Projekt gemacht hat und welche Voraussetzungen es im Unternehmen braucht, um ein innovationsförderndes Umfeld zu schaffen.
Das sind die drei Hauptpunkte
1. Innovation beginnt damit, möglichst viele Menschen dafür zu begeistern
Ist es innovativ, einen ganzen Wald zu pflanzen? Definitiv. Gerade für einen traditionsreichen Energieversorger, der regional verwurzelt ist, spielt bei einem Vorhaben wie diesem alles brillant zusammen: der klare Mehrwert für die Region, das nachhaltige Engagement und die Signalwirkung nach außen. Wie schafft man das? Für Martin zeichnet sich ein innovatives Unternehmen dadurch aus, dass eher Menschen statt Ideen gefördert werden:„Die meisten Ideen sind ja nicht deine eigenen Ideen. Du hast sie irgendwann aufgeschnappt und daran weitergearbeitet. Deswegen sind diese Ideen nicht so wertvoll wie die Leute, die sie dahin gebracht haben.“
Man kennt das auch selbst. Wenn man eine Idee hat, macht diese oft erst dann richtig Sinn, wenn man beginnt, darüber zu sprechen. Genau das hat auch Martin gemacht. Als Innovationsmanager kennt er die Kraft einer guten Vision und ist damit an seine Kolleg:innen und die Vorstandsebene herangetreten. „Think big! […] Ich finde, man muss sich trauen, so eine Vision zu haben. Das ist das Allerwichtigste“, erklärt Martin. Die Führungsetage habe das dann sofort mitgetragen. Dadurch passiert genau das, was es braucht, um Innovationspotenzial freizulegen. Die Führungskräfte fördern mit ihrer Offenheit gegenüber Neuem weitere Impulse und nehmen Mitarbeiter:innen die Angst, sich auf neue Denkpfade zu begeben.
Der Zeitpunkt war dabei denkbar günstig. Zum einen ist gerade ein Strategieprozess zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit gelaufen, zum anderen gab es auch ein zusätzliches Budget dank des anstehenden 150-jährigen Firmenjubiläums. Ein optimaler Nährboden für eine bewusst ambitionierte Projektidee: „Es war genau richtig, mit der Vision zu starten, einen Wald zu pflanzen. Wenn wir gesagt hätten, dass wir nur 100 Bäume pflanzen, wären es vielleicht niemals mehr geworden“, erklärt Martin Wintz.
2. Einen Wald zu pflanzen, ist Organisations-, Wissens- und Handarbeit
Den meisten von uns fehlt das Know-how, wie man einen Wald pflanzt. Auch Martin hatte am Anfang keine Ahnung, wie er ganz offen zugibt: „Ich wollte erst einmal wissen, was ein Wald ist, wenn wir da schon etwas ankündigen. Darum habe ich einfach gegoogelt, einen Waldprofessor gefunden und ihn angerufen.“ Besagter Waldprofessor ist Wissenschaftler an der TU München, von dem Martin erste Informationen bekam – wie groß etwa ein Wald sein sollte und welche Baummischarten es gibt. Durch den Kontakt mit der TU wurde aus der Idee dann auch ein gemeinsames Forschungsprojekt.
Die nächste Herausforderung war es, einen Standort zu finden, auf dem man einen Wald pflanzen kann. Das Areal sollte eine Fläche von etwa vier Hektar haben, was ungefähr sechs Fußballfeldern entspricht. Dazu konnte der Energieversorger eine Kooperationsvereinbarung mit einem Talsperrenverband schließen, der eine entsprechende Fläche zur Verfügung hatte. Als die Vorarbeiten abgeschlossen waren, brauchte es noch ein Unternehmen, das den Boden vorbereitete, eine Baumschule mit dem nötigen Wissen über Zaunbau und Pflanzung sowie möglichst viele freiwillig helfende Hände, die aus den eigenen Reihen des Energieversorgers antraten.
Das Geniale an Martins Waldprojekt ist, dass es nicht nur viel neues Wissen und Erfahrungen ins Unternehmen brachte, sondern auch neue Erkenntnisse für die Zukunft generiert. Da die TU München das Projekt wissenschaftlich betreut, wurde bereits ein Grunddatensatz durch Bodenproben geschaffen. Einmal im Jahr werden weitere Daten aufgenommen und verarbeitet. Durch diese Kooperation erhalten regionale Förster:innen neues Know-how darüber, wie sie die Wälder besser erhalten können.
3. Regionale Verantwortung zu übernehmen, ist sinnvoll und leistbar
Es gibt sicher bequemere Wege, um sich als Unternehmen an einem nachhaltigen Projekt zu beteiligen. Dort eine Spende, da ein Sponsoring. Aber Martins Waldprojekt zeigt, dass es gar nicht schwierig sein muss, selbst aktiv zu werden und ein eigenes Projekt in der Region umzusetzen – übrigens die wohl glaubwürdigste Art, als Unternehmen zu sagen: „Mir ist das wirklich wichtig.“
Martin erklärt mir auch transparent, was ein Projekt in dieser Größenordnung kostet, nämlich weniger, als man zunächst vermuten würde. Aktuell rechnet das Unternehmen mit etwa 250.000 € auf 10 Jahre, also 25.000 € pro Jahr. Für eine Organisation ab einer gewissen Größe ist das durchaus leistbar und es entsteht ein Nutzen für die gesamte Region. Nicht zu vergessen der Spaß- und Teambuilding-Faktor: „Daraus wurde ein richtiges Happening. Die Leute haben das ausgestaltet, wir haben uns nicht zu viel ausgedacht“, erzählt Martin über die Umsetzungsarbeiten. Nur das Catering sei nicht so einfach in den Wald zu bekommen. Aber bei so einem ambitionierten Projekt fand man natürlich auch dafür eine Lösung.
Die Story der rhenag führt uns klar vor Augen, dass wir alle viel größer denken können und müssen, um die klimatischen Herausforderungen in den kommenden Jahren zu meistern. Als Unternehmer:innen sollten wir bewusst Allianzen in unserer Region bilden und Verantwortung übernehmen. Was wir dazu brauchen, sind innovative Ideen und den Mut, einfach hinauszugehen und sie zu realisieren.
Hört mal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was ihr dazu denkt! Habt ihr vielleicht schon Ideen für ein sinnvolles Projekt in eurer Region? Vielleicht lesen die richtigen Menschen gerade mit.
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