Warum Nachhaltigkeit auch Großzügigkeit braucht – mit Fred Luks (Ökonom)

„Es gibt ja in der Nachhaltigkeit diese heilige Dreifaltigkeit: Effizienz, Suffizienz, Konsistenz. Das macht alles total Sinn. Aber ich sage immer: Es braucht auch Opulenz, wenn wir nachhaltig wirtschaften wollen.“

Fred Luks

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Facettenreicher könnte ein Lebenslauf wohl nicht sein: Fred Luks hat die Schule mit 15 Jahren verlassen, wurde zunächst Verwaltungsangestellter, dann Doktor der Sozialwissenschaften, Ökonom, umtriebiger Autor und arbeitet seit zwei Jahren auch als Berater. In seinen bisher zehn Büchern beschäftigt er sich eingehend mit Nachhaltigkeit und Ökonomie. Dabei pflegt er einen sehr pragmatischen Zugang zum Schreiben: viel Lesen, mit vielen Leuten reden ­– und keine Angst vor dem leeren, weißen Blatt haben. Und wenn es beim Tippen mal schneller gehen muss, hilft ein wenig Trash Metal von Metallica.

Das sind die drei Haupterkenntnisse

1. Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen

Wenn man sich im Nachhaltigkeitsdiskurs bewegt, trifft man immer wieder auf ein fest verankertes Narrativ: Jede:r Einzelne muss einen Teil zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Wir müssen uns zurücknehmen, einschränken und Ressourcen sparen. Grundsätzlich ist das eine positive Entwicklung. Trotzdem stellt sich die Frage, ob dieses Narrativ auf lange Sicht tatsächlich zum Erfolg führen wird. (Über ein Narrativ zum gesellschaftlichen Wandel haben meine Kollegin Jaana Rasmussen und ich auch in dieser Folge gesprochen.)

Geht es nach Fred Luks, dann ist es nicht genug, die Nachhaltigkeitsproblematik bei den Einzelnen abzuladen: „Ich habe eine große Skepsis Ansätzen gegenüber, die in der individuellen Einsicht den Schlüssel zur Nachhaltigkeit sehen. Ich sehe diesen eher in der kollektiven Entscheidung darüber, dass wir Umwelt ökonomisch ernster nehmen und viel höher bepreisen müssen.“

Tatsächlich ist uns oft gar nicht bewusst, wie viel nicht-nachhaltiges Verhalten kostet. Die Gründe dafür sind auch in den Strukturen zu suchen, die uns umgeben. Wenn ein Land wie Österreich noch heute Milliarden für Subventionen ausgibt, von denen man eigentlich ganz genau weiß, dass sie klimaschädlich sind, dann trübt das die Kostentransparenz. „Es ist wichtig, dass Preise die ökologische Wahrheit sagen“, so Fred.

2. Wir brauchen eine ökologisch-soziale Steuerreform, die diesen Namen verdient

Es gibt viele Hebel, um nachhaltiges Denken und Handeln zu fördern. Aufgrund der Dringlichkeit des Klimaproblems ist die Frage, welcher den größten Impact hat. Fred kann diesen Hebel klar für sich benennen: Es braucht „eine ökologisch-soziale Steuerreform, die diesen Namen auch verdient. Mit einer guten Lenkungswirkung und einer ordentlichen sozialen Komponente.“

Neue Steuern also – ein Vorschlag, der schnell auch die Kritiker:innen auf den Plan rufen dürfte. Ein Beispiel: Die höhere Bepreisung fossiler Kraftstoffe würde dazu führen, dass auch jene Menschen mehr für Benzin bezahlen müssen, die ohnehin wenig Geld haben. Genau darauf spielt Fred mit der “sozialen Komponente” an. Eine sinnvolle ökologisch-soziale Steuerreform muss dieses Thema berücksichtigen.

Aber ist eine so tiefgreifende Transformation überhaupt realistisch? Da treffen in der Regel Optimist:innen auf Pessimist:innen. Für Fred stellt sich diese Frage nicht. Er plädiert lieber für eine kämpferische Haltung, für die Hoffnung: „Politische Wunder sind wahrscheinlicher als physikalische Wunder.“ Was so ein politisches Wunder wäre: ein Paradigmenwechsel in Wirtschaft und Politik, der erfahrungsgemäß nicht als Wunder erscheint, sondern mindestens eine Generation lang dauert. So viel Zeit haben wir aber nicht. Das Beste, was wir jetzt und eigentlich immer haben können, sind engagierte Menschen und Organisationen, die den Paradigmenwechsel vormachen. Ich selbst will mit borisgloger consulting genau das schaffen.

3. Auch Großzügigkeit muss Teil der Nachhaltigkeitsdebatte sein

Großzügigkeit ist ein Begriff, dem man in der klassischen Nachhaltigkeitsbewegung nicht allzu oft begegnet. Angesichts einer sehr starken Tendenz zur Effizienzfixiertheit ist es umso spannender, dass Fred ausgerechnet der Großzügigkeit – und in einem gewissen Ausmaß auch der Verschwendung – einen Platz in der nachhaltigen Gesellschaft zugesteht.

Wie meint er das? Er glaubt, dass die Nachhaltigkeitsdebatte allgemein einen zu starken Fokus auf die Ökologie legt. Denn die Diskussion, die wir führen, hat auch sehr große soziale und kulturelle Dimensionen, die oft ausgeklammert werden. Das Leben besteht eben nicht nur aus Effizienz und Vernunft. Menschen wollen nicht nur überleben, sondern auch gut leben.

Oder um es mit einem einfachen Umkehrschluss auszudrücken: Wenn grenzenloses Wachstum nicht funktioniert, dann auch nicht die maßlose Mäßigung. Die Lösung liegt wie so oft irgendwo in der Mitte.


Hört mal rein, wenn ihr wissen wollt, warum uns die Individualisierung der Nachhaltigkeitsproblematik langfristig nicht weiterbringen wird, was wir brauchen, um unsere Strukturen nachhaltig umzubauen und welche Rolle die Großzügigkeit dabei spielt. Euch erwarten wieder spannende, neue Perspektiven. Ich freue mich schon jetzt auf eure Gedanken dazu.

Titelbild: © Häusler