Nachhaltigkeit in der Modeindustrie – geht das, Michael Spitzbarth (bleed clothing)?

Michael Spitzbarth für nachhaltige Mode

„Manchmal hilft es, naiv an etwas heranzugehen. Hätte ich vorher gewusst, auf was ich mich mit der Gründung von bleed clothing einlasse, hätte ich es nicht gemacht.“

Michael Spitzbarth

Mein Gast: Michael Spitzbarth

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Michael hat eine etwas andere Gründergeschichte: Nach dem Studium für Mode- und Textildesign und ersten unternehmerischen Erfahrungen als Freelancer für Skateboard- und Snowboard-Firmen merkte er schnell, dass ausbeuterische Tendenzen in der Modeindustrie Standard sind. Das muss doch auch anders gehen! Und es ging anders: Erst wechselte er zu Auftraggeber:innen, die auf Nachhaltigkeit setzen. Da war dann schnell klar: Der Prozess stimmt, die Mode selbst war aber oft langweilig und altbacken. Also gründete er vor 13 Jahren mit bleed clothing sein eigenes Modelabel, das sich konsequent der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Michael ist dort zuständig für Design und Produktentwicklung und hat den Anspruch, tragbare Mode mit dem Nachhaltigkeitsaspekt zu verbinden – und somit sozialverträglich und ökologisch einwandfrei zu produzieren.

Das sind die drei Hauptpunkte in Kürze:

1. Nachhaltige Mode heißt: Nehmen, was da ist

Wer an die Modeindustrie denkt, verbindet damit oft fragwürdige Produktionsbedingungen wie Kinderarbeit und Ausbeutung. Dass die Zeiten sich wandeln, liegt vor allem an uns Konsument:innen. Warum? Wir fragen verstärkt nach ethisch und nachhaltig produzierter Kleidung. Umso besser, dass es Gründer wie Michael gibt, die den üblichen Herstellungsprozess in der Modebranche einfach umdrehen: Statt sich klassisch an einem Ziel zu orientieren und dann loszulegen – übrigens ganz typisch für das Management-Denken – schaut er zunächst, welche Materialien schon da sind und findet Wege, daraus ein ansprechendes, neues Produkt zu designen. Nachhaltige Lieferketten mit ökologisch und sozial vertretbaren Lieferanten und Spezialisten? Das geht, wenn auch mit Ausdauer und dem festen Willen, es anders zu machen als andere und damit auf mehr Widerstände zu stoßen.

2. Vier bis fünf Jahre für eine Jeans „made in Germany“

Für mich schließen sich Nachhaltigkeit und Mode per se aus. Wenn ich daran denke, wie viele Leute mehrmals im Jahr ihren Kleiderschrank ausmisten und welche Masse an Modemarken es gibt, frage ich mich schon: Muss man immer noch mehr produzieren? Es gibt doch genug Klamotten. Klar ist: Jedes produzierte Produkt hinterlässt einen CO2-Fußabdruck – und der ist teilweise gar nicht so klein. Aber hier ändert sich gerade viel: Von Fast Fashion geht‘s zurück zu Slow Fashion – also weg von der Massenproduktion in Bangladesh hin zum handwerklichen Manufaktur-Charakter mit europäischem oder sogar lokalem Produktionsstandort.

Nachhaltigkeit bei bleed clothing geht sogar so weit, dass das Team für jedes einzelne Produkt den CO2-Abdruck berechnet und dann optimiert, um noch mehr einzusparen – z. B. bei den Transportwegen. Mich wundert nicht, dass jemand wie Michael sich an anspruchsvolle Mammutprojekte wie die Franconian Denim wagt: eine rein lokal entwickelte, produzierte und vertriebene Jeans. Sein Credo: Lieber ab und zu ein Highlight-Produkt auf den Markt bringen, das viele Jahre Zeit und Herzblut in der Entwicklung benötigt, als ein Massenproduzent zu sein. Schon faszinierend, was alles möglich ist, wenn man seine Unternehmenswerte hochhält.

3. Nachhaltigkeit ist eine ethische Entscheidung

Mir bestätigt das wieder mal: Nachhaltigkeit ist vor allem eine Frage des Mindsets. Wenn du willst, dass sich was ändert, musst du Lösungen – z. B. andere Lieferketten und vor allem neue Denkansätze finden. Mit immer neuen Funktionalitäten und Materialien entstehen auch neue Möglichkeiten. Deshalb, sagt Michael richtigerweise, ist Nachhaltigkeit vor allem ein Prozess: Am Anfang war beispielsweise eine komplett nachhaltige Winterjacke nicht machbar. Nach und nach kamen dann so Dinge wie eine recycelbare Membran und vegane, recycelbare Wattierungen dazu. In aller Konsequenz muss der Fokus aber über das Produkt hinaus gehen: Es kann ja nicht sein, dass Unternehmen nachhaltige Produkte propagieren, dann aber in den Prozessen und Vertriebswegen nicht konsequent sind und diese bspw. über Amazon vertreiben. Jede:r Konsument:in weiß, was hinter den Kulissen abläuft. Ergo brauchen wir künftig noch mehr nachhaltige Online-Marktplätze wie z. B. Avocadostore.

Hört mal rein, wenn ihr wissen wollt, in welcher Region die weltbekannte Jeans ihren Ursprung hat, wie der Einzelne mit kleinen Schritten in Sachen Nachhaltigkeit vorankommt, und was das Mindset eines Skateboarders mit der Wertevorstellung von bleed zu tun hat.

Mehr Podcast-Folgen rund um Nachhaltigkeitsthemen findet ihr hier.

Das Titelbild hat Michael Spitzbarth bzw. bleed clothing zur Verfügung gestellt.