Deutschlands Krux mit der digitalen Transformation – mit Prof. Dr. Matthias Handrich (Professor & Berater)

„Wir haben leider keine Universitäten von Weltrang, die Informatiker:innen hervorbringen.“

Mein Gast: Prof. Dr. Matthias Handrich

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Ich habe Matthias Handrich bei unserem Unternehmer:innen-Stammtisch kennengelernt. Seit Anfang 2020 ist er Professor für International Management mit Fokus Digital Business an der Hochschule Pforzheim. Vor seiner akademischen Laufbahn arbeitete er als Inhouse-Management-Berater in unterschiedlichsten Funktionen bei der Siemens AG. Er leitete dort strategische Projekte in den Schwerpunktbereichen: Business Development, Marketing und Sales, Geschäftsmodellentwicklung und Innovationsmanagement sowie Industrie 4.0. Später wechselte er zur Mercedes-Benz AG, wo er im strategischen Vertrieb KI und Machine Learning Projekte leitete. Professor Handrich möchte seine Studierenden lehren, was er auch während seines eigenen Studiums an der Universität Mannheim zu schätzen wusste: Managerwissen aus der Praxis statt nur trockener Theorie aus Büchern. Neben seiner Lehrtätigkeit betreibt Matthias Handrich mit Managing Transformation sein eigenes Beratungsunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, die deutsche Industrie in ihrer Transformation zu begleiten.

Das sind die drei Schlüsselpunkte

1. Viele Unternehmen müssen teilweise oder vollständig Softwareunternehmen werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben

Prof. Matthias Handrich sitzt in Stuttgart, der Hochburg der Automobilindustrie in Deutschland. Viele behaupten sogar, dass hier die Wertschöpfung Deutschlands zuhause ist. Ich behaupte, dass die Stadt das nächste Detroit wird, wenn es so weitergeht. Prof. Matthias Handrich sieht das ähnlich: „Ich glaube, dass wir einen radikalen Umbau in Richtung Softwareunternehmen machen müssen.“

Mir fällt immer wieder auf, dass dieses Denken in radikalen Lösungen nur selten gelingt – und wenn, dann kann das zwischenzeitlich weh tun. Wie beim Springerkonzern, der konsequent auf E-Commerce umstellen wollte und dabei mühsam einen Schritt nach dem anderen setzen musste. Oder bei Otto, wo lange Zeit gerungen und geackert wurde. Sogar bei einem IT-Konzern wie SAP. Diese Unternehmen sind aber ein großes Stück nach vorne gekommen. Die Radikalität der Transformation hat sich bezahlt gemacht.

Was hindert also andere, es ähnlich zu machen? Ich glaube, dass Softwareentwicklung immer noch falsch verstanden wird. Software Engineering hat eben nichts mit unserer Kernkompetenz, dem Engineering, zu tun. Software muss agil geschrieben werden. Unser eigener Anspruch – die deutsche Perfektion – steht uns dabei im Weg.

2. Das Auto differenziert sich in Zukunft durch Software

Gemessen am Umsatz ist die Automobilindustrie in Deutschland der mit Abstand wichtigste Industriezweig und international (noch) ganz vorne dabei. Wie schnell sich die Kräfte aber verschieben können, zeigte Tesla. Der amerikanische Autobauer hat einen großen Vorteil. Er kann sich auf den E-Antrieb fokussieren, während VW, BMW und Daimler weiter ihr Kerngeschäft bedienen müssen – und das ist nach wie vor der Verbrenner.

Die Traditionskonzerne schleppen also ihre Altlasten mit sich herum und verlieren dadurch Zeit bei neuen Technologien, die aber erfolgsentscheidend sein werden. Zum Beispiel beim automatisierten Fahren. Hier sind wir schon heute nicht wettbewerbsfähig. BMW, VW und auch Daimler haben es zwar versucht, aber ohne Erfolg. „Ein Hauptgrund ist, dass man nicht die notwendigen Leute hat, weder in der Zahl noch auf dem richtigen Skill-Level“, erklärt Professor Handrich.

3. Deutschland braucht mehr hochqualifizierte Entwickler:innen

Den deutschen Industrieunternehmen fehlen die richtigen Talente für die digitale Transformation. Unser Bildungssystem hinkt der Digitalisierung zwanzig Jahre hinterher. Das zieht sich bis in die akademischen Bildungswege hinauf. „Wir haben leider keine Universitäten von Weltrang, die Informatiker:innen hervorbringen. […] Es gibt zwar die alten Ingenieursschmieden wie KIT oder TU Darmstatt, die auch in Richtung Informatik gehen. Das kommt aber alles aus dem Ingenieurwesen heraus“, so Professor Handrich.

Aktuell bleibt nur die Option, Informatiker:innen aus anderen Ländern zu uns zu holen. Dazu sei der Standort Deutschland mit der verkrusteten Verwaltung, den vergleichsweise hohen Steuern und der veralteten digitalen Infrastruktur allerdings zu wenig attraktiv. Viel wichtiger noch ist die langfristige Perspektive. Hier brauchen wir in Deutschland neue Wege, um die Menschen entsprechend auszubilden. Wir müssen unser Bildungssystem umbauen und längst fällige Investitionen in unsere Ausbildungsstätten auf den Weg bringen.


Hört einfach ‘mal rein, wenn ihr wissen wollt, wie es um die digitale Transformation in Deutschland steht und welche Herausforderungen wir lösen müssen, damit wir in Zukunft wettbewerbsfähig sind.

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