„Wir reden hier von Berufen, die extrem gute Zukunftsaussichten haben. Du wirst hier alles erreichen können, bis hin zur Übernahme eines ganzen Unternehmens.“
Mein Gast: Robert Frasch
Ich freue mich, Robert Frasch wieder bei meinem Podcast zu begrüßen, mit dem ich bereits in dieser Episode den Stellenwert und die Verbesserungsmöglichkeiten in der Lehrausbildung diskutiert habe. Robert Frasch hat mit Lehrlingspower.at ein Netzwerk aufgebaut, in dem sich Unternehmen verschiedenster Branchen austauschen können, um voneinander zu lernen. Sein Credo: Nicht an den Menschen schrauben, sondern am System. In dieser Folge spreche ich mit Robert Frasch über den immer stärker spürbaren Fachkräftemangel, junge Frauen in technischen Berufen und darüber, welche Schritte die Handwerksbetriebe setzen müssen, um auch in Zukunft genügend Nachwuchs im Unternehmen zu haben.
Das sind die drei Haupterkenntnisse
1. Das Tauziehen um die Lehrlinge hat begonnen.
Angesichts der rückläufigen Geburtenrate und der Pensionierungswelle bei den Babyboomern zeichnet sich eine Riesenlücke ab: „Wir werden im Jahr 2030 ca. 300.000 weniger Menschen im beschäftigungsfähigen Alter haben“, rechnet Robert Frasch vor. Es wird uns aber nicht an Akademiker:innen fehlen, sondern an Menschen mit Praxisausbildung, vor allem in technischen und handwerklichen Berufen.
Mit etwas mehr als 100.000 Lehrlingen in Österreich 2021 (Quelle: Wirtschaftskammer) bilden wir aktuell viel zu wenige Fachkräfte aus, um diese Lücke zu schließen. Da werden auch die Rufe nach mehr jungen Frauen in klassisch männerdominierten Lehrberufen wieder lauter. Der Kern des Problems bleibt davon aber häufig unberührt. Denn bei den jungen Frauen, die sich eine technische Lehre vorstellen könnten, scheitert es häufig am sozialen Umfeld. Robert Frasch sagt es klipp und klar: „Wir verstehen immer noch nicht, dass wir auch die Eltern überzeugen müssen – insbesondere in den MINT-Berufen.“ Die frühe Unterscheidung im Schulsystem zwischen vermeintlich weiblichen und männlichen Tätigkeiten (z. B.: Werken vs. Soziales), ist dabei kein konstruktives Signal.
Ein noch größeres Problem ortet Robert Frasch im allgemeinen Image der Lehre. In den letzten Jahrzehnten hat man den Eltern ständig gesagt, dass der akademische Weg die besten Chancen bieten würde. Dieses Bild steckt noch in den Köpfen. Die Realität sieht heute aber anders aus: „Eigentlich brauchen wir keine Akademiker:innen mehr, sondern Menschen, die wirklich da draußen arbeiten – und damit auch Karriere machen können.“
2. Holt Frauen in Lehrbetrieben vor den Vorhang!
Ich habe nie verstanden, was Eltern dagegen haben könnten, wenn die Tochter einen technischen Beruf erlernen möchte – einen Beruf, der Zukunft hat. Vielleicht liegt es daran, dass sich das viele einfach nicht vorstellen können. Gerade deshalb brauche es Role Models, sagt Robert Frasch. Man müsse endlich anfangen, die Vorbilder vor den Vorhang zu holen. Als Beispiel nennt er die Wiener Linien, die jetzt eine weibliche Ausbilderin haben, die auch die Lehrausbildung absolvierte und damit zur Führungskraft aufstieg. Das ist ein Zeichen, das jungen Frauen Mut gibt und den Eltern zeigt, was die Tochter mit einer Lehrausbildung erreichen kann.
„Wir müssen aber auch über Dinge wie die Vereinbarkeit von Familie und Job nachdenken. Das betrifft die Frauen mehr, allein aus der biologischen Tatsache heraus, dass sie die Kinder bekommen“, so Robert Frasch. Noch heute sei das Kinderkriegen die größte Falle für Altersarmut, weil die Zeit auf dem Pensionskonto fehle. Herr Frasch fordert mehr politisches Engagement, aber auch mehr Initiative in den Betrieben. Angebote wie Betriebskindergärten können hier Anreize setzen. Das bedeutet nicht, dass jede kleine Firma einen Kindergarten bräuchte. Die Chancen liegen in der Kooperation: „In einer idealen Welt würden die zehn Handwerksbetriebe im Ort dafür sorgen, dass es eine Kinderbetreuung gibt.“
3. Betriebe müssen sich um junge Frauen bemühen.
Der Bier trinkende, ölverschmierte Mechaniker, der geschmacklose Pin-up-Kalender im Pausenraum, die frauenfeindlichen Witze, das Macho-Gehabe: Man könnte denken, diese Klischees wären Relikte aus einer anderen Zeit. Robert Frasch fallen aber ad hoc 4–5 Betriebe in seiner Umgebung ein, die genau in dieses Bild hineinpassen: „Es gibt viel mehr, als wir glauben. […] Eine junge Frau kommt hier unter Garantie nicht auf die Idee, reinzugehen und mitarbeiten zu wollen.“ Diese Betriebe werden keine Wahl haben, als sich systematisch zu verändern.
Um erste Schritte zu setzen, empfiehlt Robert Frasch zunächst, aktiv das Gespräch mit jungen Frauen zu suchen. Was sind die Erwartungen an einen Arbeitsplatz? Was ist wichtig, was nicht? Dann sollte man auch konsequent am eigenen Erscheinungsbild arbeiten, sofern nötig – damit man die genannten Klischees nicht mehr erfüllt. Robert Frasch ist überzeugt: „Der Change kommt so oder so. Erfolg werden die Unternehmen haben, die diesen Change schaffen. […] In manchen Betrieben läuten die Alarmglocken schon sehr laut.“
Wir sind mit der Lehre in Österreich also noch nicht dort, wo wir hinmüssten, auch wenn in der Politik allmählich wichtige Zeichen gesetzt werden (z. B. Fachhochschulstudiengänge für Praktiker:innen nach Schweizer Vorbild). Fakt ist, dass die Nachfrage nach Lehrlingen kräftig steigen wird. Eine Riesenchance für junge Menschen (und deren Eltern). Robert Frasch fasst zusammen: „Wir reden hier von Berufen mit extrem gute Zukunftsaussichten. Du wirst hier alles erreichen können, bis hin zur Übernahme eines ganzen Unternehmens.“
Hört einfach ‘mal rein, wenn ihr wissen wollt, wie es um die Lehrausbildung in Österreich steht, warum immer noch zu wenig Frauen in technische Lehrberufe gehen und welche Chancen sich in den nächsten Jahren bieten werden!
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