„Wir verändern nicht die Jugendlichen, sondern das System der Lehre. Denn wir sollten nicht den Menschen erklären, wie sie anders und besser sein können, sondern es ist doch sinnvoller, das System passend zu machen.“
Robert Frasch
Mein Gast: Robert Frasch
Robert Frasch setzt sich seit fünf Jahren für die Verbesserung der dualen Ausbildung ein. Dafür hat er mit Lehrlingspower.at ein Netzwerk für Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen und zugleich Forum für Austausch gegründet. Die Idee dahinter: Ausbilder:innen und Personalverantwortliche aus Ausbildungsbetrieben der verschiedensten Größen und Branchen berichten aus der Praxis und lernen voneinander, um die Lehre zu verbessern – da sitzt der Handwerker auch mal neben der Industrieausbilderin. Zudem stellt Robert Arbeitsmittel für die duale Ausbildung bereit. Wir sprechen im Podcast darüber, warum der Lehrberuf noch immer einen geringeren Stellenwert als der akademische Abschluss hat und welche Ansätze Potenzial für die Verbesserung der Lehre haben.
Das sind die drei Hauptpunkte in Kürze:
1. Eltern nehmen eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Berufsweges ein
Es ist absurd: Wir investieren in Österreich einerseits Milliarden in Nachhilfeunterricht, auf der anderen Seite rückt die Lehre, also eine solide Ausbildung, in den Hintergrund. Warum ist das so? In Österreich unterschreiben bis zur Volljährigkeit die Eltern auf dem Lehrvertrag. Das ist das eigentliche Problem. So sind die Jugendlichen zwar sehr offen für Lehrberufe, die Eltern wollen aber oft einen höheren Bildungsabschluss für ihre Kinder. „Ich vermute, dass sie möchten, dass es ihren Kindern besser geht – dass diese mehr erreichen, als sie selbst“, sagt Robert. Das Fatale daran: Eltern schauen oft nicht darauf, ob das auch für das Kind das Beste ist. Der Fehler liegt aber im System, in dem Noten oft noch immer ausschlaggebend für eine Einladung zum Vorstellungsgespräch sind. Auf der einen Seite haben wir viele Unternehmen, die händeringend Fachkräfte benötigen, sich aber andererseits beschweren, wenn sich nicht nur 1er-Abgänger bewerben. Müssen die Unternehmen also selbst mehr Verantwortung übernehmen? Robert ist davon überzeugt und berichtet von einem großen Industrieunternehmen in der Steiermark, das schon seit Jahren Nachhilfelehrer für die Auszubildenden in Mathematik und Deutsch anstellt – das, was das Schulsystem nicht schafft, wird aktiv bei den Unternehmen nachgeholt.
2. Berufsbilder werden falsch und ungenügend dargestellt
Kennt ihr auch noch diese Plakate aus dem Handwerk, bei dem der Schreinerberuf oft verklärt romantisch dargestellt wird? Damit meine ich z. B., dass ein Lehrling bzw. eine Lehrtochter mit Hobel zu sehen ist, der bzw. die mit der Hand einen Tisch oder Ähnliches bearbeitet. Damit werden aber falsche Assoziationen geweckt, denn die Realität sieht doch heute ganz anders aus. Schreiner:innen arbeiten heute mit ganz anderen Geräten wie zum Beispiel CNC-Fräsen und da geht es oft eher darum, so eine Maschine (technisch) bedienen zu können. Das Berufsbild wird also völlig verzerrt. Robert bringt das Beispiel eines Kochs an: Automatisch verknüpft ein Großteil mit dem Beruf unmögliche Arbeitszeiten, schlechte Arbeitsbedingungen und ein geringes Gehalt. Dabei gäbe es viele Gastronomie-Unternehmen, die ordentlich bezahlen und gute Bedingungen schaffen.
Woher kommt also diese Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit? Wir schaffen es einfach nicht mehr, Berufsbilder adäquat zu vermitteln. Das fängt in der Schule an: Da gibt es die Berufsorientierung quasi nur auf dem Papier – obwohl wir in Österreich sogar ein Schulfach zur „Berufsorientierung“ haben! Das bedeutet in der Praxis aber oft nur: Man liest sich Berufe am Computer durch. Ist in Deutschland übrigens nicht anders.
Statt also ständig neue Lehrberufe zu schaffen (mittlerweile haben wir in Österreich über 200), sollten wir die Aufgaben in den bestehenden Berufen adäquat vermitteln – denn da hat sich über die Jahre schon genug getan. Unsere Jugendlichen haben mittlerweile in der Regel die Wahlmöglichkeit und können sich aussuchen, in welchem Betrieb sie anfangen. Da sollten wir sie nicht noch mit der Komplexität ständig neuer Berufsbilder konfrontieren.
3. Weg von der betrieblichen hin zur Berufsausbildung
Die rasante Weiterentwicklung der Berufe ist eine Sache – früher hat ein:e Schreiner:in gelernt, Fenster, Küchen und Möbel zu bauen. Heute ist er bzw. sie meist auf eine Sache spezialisiert. Vor 30, 40 Jahren lernte ein Lehrling oder eine Lehrtochter also eine viel höhere Bandbreite des Berufes kennen, als das heute der Fall ist. Deshalb sagt Robert richtigerweise: „Wir müssen weg von einer betrieblichen hin zu einer Berufsausbildung kommen“. Also: Die Auszubildenden lernen nicht mehr ausschließlich in einem Betrieb, sondern in verschiedenen Unternehmen. Z. B. im Rahmen einer Logistikausbildung bei der Bahn und in einer Spedition und in weiteren Bereichen. Erst danach entscheiden die Jugendlichen, wo sie später einmal fest arbeiten möchten. Das hat mehrere Vorteile: Der Beruf wird allumfänglich kennengelernt. Jugendliche bauen schon in der Ausbildung ein umfangreiches Netzwerk auf und die Qualität der Ausbildung steigt massiv.
Hört mal rein, wenn ihr wissen wollt, welches Mindset Unternehmen bei der Auszubildendensuche mitbringen sollten, warum die Verbände noch mehr gefragt sind und was es mit der Berufsweltmeisterschaft World Skills auf sich hat. Ich bin gespannt auf eure Kommentare!
Foto: Margit Berger, foto-berger.at