„Mein Gedanke ist, Gemeinschaften zu bilden und das in verschiedenster Form mit verschiedenen Zielsetzungen. Für mich gibt es im Kopf diese Begriffe wie Akquise und Sales gar nicht. Sondern es geht darum: Wie kann ich mehr Veränderungsdynamik erzeugen?“
Mein Gast: Sina Wans
Nachhaltigkeitsberatungen sprießen seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden. Da muss man sich schon was einfallen lassen, um die Konkurrenz abzuhängen. Sina Wans setzt mit ihrem Unternehmen Sustainable Thinking auf das Gegenteil: Gemeinschaft statt Wettbewerb. Die Beratung für Risikomanagement und Nachhaltigkeit bringt Unternehmen zusammen, um Nachhaltigkeitsherausforderungen in Gemeinschaften zu lösen. Eine Gemeinschaft besteht aus bis zu 10 Unternehmen. Eine geniale Idee, auf die ich schon ein wenig neidisch bin. Und neidisch meine ich nicht negativ: Ich gönne ihr den Erfolg, ist eher meine Form von Bewunderung.
Aber wie kommt man als sehr gut ausgebildete junge Frau darauf, gleich nach dem Studium ein Unternehmen zu gründen und den schwierigeren Weg zu gehen? Ganz einfach: Kein Unternehmen hatte einen so starken Willen, etwas zu verändern, wie Sina ihn selbst verspürte. Also baute sie gemeinsam mit zwei Kommilitoninnen Lina Ebbinghaus und Joana Schönborn ein Beratungsunternehmen neuen Ausmaßes auf. Im Gespräch hat Sina den spannenden Ansatz von Sustainable Thinking erläutert und mir noch einmal ganz neue Denkanstöße mitgegeben.
Das sind die drei Hauptpunkte:
1. Gemeinschaftliches Wirtschaften erzeugt nachhaltige Geschäftsmodelle
Wir können viel über Wirtschaftsmodelle und ihre Notwendigkeit zur Veränderung sprechen, aber wichtig ist nur eins: Dass sie funktionieren. Insbesondere die Pandemie hat gezeigt, wie stark wir von den Marktgegebenheiten abhängen – auch die Beraterbranche, die von Kund:innen permanent Veränderung einfordert, sich selbst seit 30 Jahren aber auf der Stelle bewegt. Der Hebel muss doch ein anderer sein. Wie wäre es, wenn jede:r Verantwortung für den anderen übernimmt und Unternehmen, aber auch Privatpersonen gemeinsam und unabhängig vom Markt ein Angebot für die Gemeinschaft erzeugen? Die Rechnung geht auf: Wenn man selbst viel stärker involviert ist, hat man ein sehr hohes Eigeninteresse am Erfolg. Auf diesen Gedanken baut die Solidarische Landwirtschaft auf, der ich mich jüngst auch persönlich angeschlossen habe. Die Idee dahinter: Eine Vereinigung privater Haushalte trägt gemeinsam die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs. Im Gegenzug erhalten sie den Ernteertrag und lernen die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft kennen. Die Gemeinschaft finanziert also erst mal den Landwirt, der dann mit dem Geld etwas aufbauen kann. Eine so einfache wie geniale Idee, die für alle Branchen und jedes Geschäftsmodell funktioniert und dabei krisensicher ist!
2. Thinking Circles: In kleinen und wirkungsvollen Unternehmensgemeinschaften die Nachhaltigkeit vorantreiben
Als wir uns vor vier Jahren bei borisgloger consulting auf den Weg zum nachhaltigen Unternehmen gemacht haben, lag eine komplexe Mammutaufgabe vor uns. Mittlerweile haben wir ein internes Team mit Schwerpunkt Energiewende aufgebaut sowie zwei Ausgründungen (QLab und nextOrange), die sich konkret auf nachhaltige Lösungsansätze spezialisieren. Geholfen hat uns insbesondere der Austausch mit anderen Unternehmen, die die gleichen Ziele verfolgen – zum Beispiel im Rahmen unseres Unternehmer:innenstammtisches, bei dem wir übergreifend an unseren Herausforderungen arbeiten.
Das Geschäftsmodell von Sustainable Thinking setzt genau da an: In sogenannten Thinking Circles (Peer-Learning-Gemeinschaften) kommen bis zu 10 Unternehmen zusammen, die sich ein Jahr lang gegenseitig in der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele unterstützen, zum Beispiel bei dem Aufbau nachhaltiger Lieferketten. Damit das Ganze funktioniert, ist Verbindlichkeit, Kommunikation und Commitment unabdingbar. Monatliche Treffen und organisationsübergreifende Teams gehören genauso dazu wie der Wille, Verantwortung zu übernehmen. Klar, es kommt immer auf die Kooperationsfähigkeit der jeweiligen Unternehmen an, aber da sagt Sina ganz klar: „Wir helfen schon im Findungsprozess dabei, Unternehmen mit gleichen Zielen und derselben Haltung zu verbinden“. Mit dem Support von Sina und ihrem Team wird also schon vor dem Start der Circles sichergestellt, dass die Unternehmen zusammenpassen. Der Hauptgedanke dahinter: Beziehungsaufbau.
3. Die Katastrophe ist noch nicht spürbar genug
Ohne Frage: Die Auswirkungen der Pandemie sind schlimm. Trotzdem frage ich mich manchmal, warum wir bei der Klimakrise nicht mal halb so panisch reagieren. Muss erst etwas „Spürbares“ passieren, damit wir reagieren? Was ist mit den Waldbränden, den Fluten und allen anderen durch die Krise hervorgerufenen Unglücken, die überall auf der Welt real passieren? Was genau wird der Auslöser sein, der uns alle aus dem Dornröschenschlaf holt? Vielleicht muss erst der Strom flächendeckend ausfallen, damit wir es begreifen. Sina meint: “Die nächsten Jahre stellen die Weichen.” Wir steuern zum Glück auf ein neues Ausmaß an Regulierungen zu, z. B. das Lieferkettengesetz. Wenn da jemand die Kriterien nicht erfüllt, wird er ganz rigoros als Lieferant ausgelistet bzw. die Partner arbeiten nicht mehr mit ihm. Umso wichtiger werden die Beziehungen zu Partnernetzwerken, die dafür sorgen, dass sich Unternehmen gegenseitig unterstützen und damit handlungsfähig bleiben.
Könnt ihr euch gemeinschaftliches Wirtschaften vorstellen? Hört einmal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was ihr denkt. Ich freue mich über eure Kommentare!
Bild: zur Verfügung gestellt von Sina Wans