„Ich glaube, dass das Thema Nachhaltigkeit darüber entscheiden wird, ob man noch weiter im Geschäft bleibt oder nicht.“
Wir Europäer, du und ich, stehen vor einer gigantischen Aufgabe: Wir müssen unser Wirtschaftssystem umbauen. Ein Aspekt davon sind die Wertschöpfungsketten. Corona und der Ukraine-Krieg zeigen uns, dass unsere Lieferketten extrem anfällig sind, die Klimakatastrophe schreit danach, endlich auf eine Solar-based Economy umzurüsten. Über all das müssen wir in Unternehmen auch noch transparent berichten.
Während die großen Konzerne seit einigen Jahren verpflichtet sind, detaillierte Berichte vorzulegen, gilt das in Zukunft auch für weite Teile des Mittelstands. Die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD) verlangt ein umfangreiches Berichtswesen über die Aktivitäten der Organisationen. Diese Neuausrichtung der Unternehmen ist für uns alle herausfordernd. Wie immer bei Veränderungen gibt es viele offene Fragen und die Unsicherheit ist groß.
In dieser Podcast-Folge spreche ich mit einer ambitionierten Nachhaltigkeitsberaterin, die dabei Orientierung schafft. Wir unterhalten uns über ihre Gründung, den Beratungsalltag und diskutieren, wie man nachhaltige Veränderung konkret angeht.
Mein Gast: Katharina Eucken
Ich habe Katharina Eucken bei unserem Unternehmer:innen-Stammtisch kennengelernt, den wir am Anfang der Pandemie zum Austausch ins Leben gerufen haben. Sie hatte nur einige Wochen davor, Anfang Februar 2020, ihre Nachhaltigkeitsberatung Viafuturum gegründet und eigentlich einen aufmerksamkeitsstarken Launch mit Kampagne geplant. Stattdessen mussten sie und ihre Kolleg:innen sich erst einmal in der neuen Corona-Realität zurechtfinden. Aber Frau Eucken schaffte es, der ursprünglichen Idee treu zu bleiben und mit ihrer aufgeweckten und pragmatischen Art trotz widriger Umstände den ersten Kunden zu gewinnen.
Vor der Gründung war Katharina Eucken viele Jahre als Juristin in Unternehmen tätig. Die zunehmende Regulatorik im Nachhaltigkeitsbereich erlebte sie als Chief Complience Officer einer großen Reederei-Gruppe aus erster Hand. Dass sie sich schließlich auf dieses Thema spezialisierte, lag vor allem an der Nähe der Nachhaltigkeit zu der inneren Haltung, die sie als ihren größten Antrieb bezeichnet: Integrität.
Das sind die drei Hauptpunkte
1. Verschenkt eure besten Ideen
Als ich vor 15 Jahren losgezogen bin, um den Leuten Scrum beizubringen (ein paar Insights dazu hier in meinem Blog), musste ich erst einmal feststellen, dass es eine Weile dauern kann, bis das Business ins Laufen kommt. Katharina Eucken ging es mit ihrer Nachhaltigkeitsberatung ähnlich. Auch sie machte die Erfahrung, dass unsere sehr erklärungsbedürftigen Produkte viel Überzeugungsarbeit brauchen. Soll die gewünschte Veränderung im Unternehmen nachhaltig sein, dann reicht das Anwenden von Rezepten nicht. Wer dabei jede Stunde zählt, ist in der falschen Branche. Oft rechnet sich das anfängliche Engagement sogar erst ein paar Jahre später. Katharina Eucken sieht das bemerkenswert pragmatisch: „Wenn man sich auf diesen Weg begibt, darf man nicht kleinlich sein. Man muss sich über seinen Wert im Klaren sein, aber der Wert hat unterschiedliche Kategorien.“
Entsprechend pragmatisch geht Frau Eucken auch in den Pitch: „Wir verkaufen keine Produktportfolios, sondern führen Problemstellungen und Modelle vor, um darauf basierend mit unseren Kund:innen ins Gespräch zu kommen. Damit diese im Pitch auch über sich selbst etwas lernen“, erklärt sie. Aber geht das nicht schon zu weit? Ich finde, dass das genau der richtige Weg ist, und es gibt sogar einen wunderbaren Begriff dafür: Outteaching. Wir sollten immer versuchen, Menschen etwas beizubringen, auch kostenlos, wenn es sein muss. Verschenkt eure besten Ideen. Wenn ihr gut seid, werden viele davon später noch zu spannenden Kooperationen führen.
2. In der Nachhaltigkeitsberatung arbeitet man sich am besten vom Ende zum Anfang
Unternehmerische Nachhaltigkeit betrifft Umweltthemen, soziale und ökonomische Aspekte. Die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten, werden häufig so komplex, dass einfache Antworten nicht leicht zu finden sind. Hier ist es oft zielführend, mit einem klar verständlichen Produkt zu beginnen: dem Nachhaltigkeitsbericht. Die betroffenen Unternehmen wissen schon heute, dass sie in Zukunft klarer über ihre Nachhaltigkeit berichten werden müssen, also warum nicht hier beginnen und darauf aufbauen.
Der erste Schritt ist, erst einmal herauszufinden, was drinstehen soll. Dazu brauche es immer einen kritischen Blick auf die Wertschöpfungskette, erklärt Frau Eucken – vom Produktdesign über den Einkauf und die Absatzkanäle bis hin zum eigentlichen Verwendungszweck. So werden die Aktivitäten des Unternehmens unter nachhaltigen Gesichtspunkten bewertet und eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt. Dann gilt es, die impactstärksten Themen im eigenen Geschäftsbereich auszuwählen und zu priorisieren. Genau um diese Themen wird es dann im Nachhaltigkeitsbericht gehen.
Gleichzeitig wächst so auch schon die Nachhaltigkeitsstrategie im Ansatz mit. Für die Themen mit der größten Wirkung im Geschäftsbereich entwickelt Katharina Eucken dann Leitbilder, strategische Maßnahmen und konkrete Entwicklungsschritte. Mit dem Blick durch die „Entwicklungsbrille“ wird klar, wo es Potenzial gibt, wie man auch mal einen „Quick Win“ haben kann und an welchen Punkten es einen längeren Atem braucht.
3. Unternehmen müssen in ihre Nachhaltigkeit investieren
Es kommt gerade regulatorisch von allen Seiten. Wie ist da die Stimmung in den Unternehmen? Katharina Eucken sieht eine durchaus positive Grundhaltung: „Die Unternehmen, die uns ansprechen, haben häufig schon angefangen, etwas zu tun, wissen aber ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter. Kaum jemand sagt, dass man das nur macht, weil es die Berichtspflicht gibt.“
Intrinsisch motiviert oder nicht sei dahingestellt – der Punkt ist, dass eine nicht nachhaltige Wirtschaftsweise für Organisationen ein immer größeres Risiko wird. Nachhaltiges Engagement – und damit auch die Berichterstattung darüber – ist essenziell für Unternehmen. Schon jetzt, und viel mehr noch in Zukunft. Eine nachhaltige Unternehmenspolitik und klar nachweisbare Ergebnisse werden immer mehr zur Voraussetzung, um Finanzierungen sicherzustellen, Partnerschaften aufrechtzuerhalten und letztlich für die Endkund:innen relevant zu bleiben.
Katharina Eucken fasst es kompakt und kompromisslos zusammen: „Ich glaube, dass das Thema Nachhaltigkeit darüber entscheiden wird, ob man noch weiter im Geschäft bleibt oder nicht. Ich nehme an, es wird die License to Operate.“
Hört einmal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freu mich über eure Kommentare!
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