„Wenn ich als CEO 80 % meiner Zeit mit dem Tagesgeschäft verbringe, ist das nicht gut fürs Unternehmen.“
Mein Gast: Frank Keuper
Frank Keuper ist ein echter Tausendsassa. Er studierte BWL, promovierte im Bereich Produktionsplanung und -Steuerung und habilitierte im Themenbereich Systemtheorie und Kybernetik. Danach lehrte er als Universitätsprofessor in Deutschland, China sowie Russland und arbeitete zwischendurch für internationale Top-Strategieberatungen. Daneben fand der neugierige Vogel, wie er sich selbst bezeichnet, auch noch Zeit, sich unternehmerisch zu engagieren. Heute ist er einer der Managing Partner bei New Rationale, einer Boutique-Strategie- und Transformationsberatung in Hamburg. Frank Keuper begleitet mittelständische Unternehmen in Deutschland bei der Entwicklung von Wachstumsstrategien mit dem Fokus auf Responsibility und Sustainability. Oder wie er es nennt: Fairstainability.
Das sind die drei Haupterkenntnisse
1. Nachhaltigkeit kann ein Multiplikator für Wachstum sein
Mit New Rationale positionieren sich Frank Keuper und seine Partner als nachhaltige Wachstumstreiber im deutschsprachigen Beratungsmarkt. „Profitable Growth x Fairstainability“, so die Kernbotschaft. Frank erklärt, was das bedeutet: „Wir wollen Wachstumsstrategien entwickeln, deren Motor ausschließlich Fairstainability ist. Denn, wenn ich den Impact eines Unternehmens in puncto ökologischer Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung so gestalte, dass er einen Mehrwert für alle Stakeholder und Kunden generiert, dann habe ich eine überproportional positive Wirkung, z. B. auf den Total Shareholder Return.“
Die berechtigte Frage, die sich dabei stellt: Geht denn Wachstum noch in Deutschland, vor allem für Mittelständler? Immerhin werden die Märkte tendenziell enger und viele sagen mit Blick auf die USA und Asien, dass der Zug ohnehin längst abgefahren wäre. Der Ansatz von New Rationale ist insofern spannend, weil das Beratungsunternehmen Nachhaltigkeit und Verantwortung als Wachstumsmotor in den Mittelpunkt stellt und damit klar kommuniziert: Wer nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln in der DNA des Unternehmens verankert, legt enormes Wachstumspotenzial frei. Vielleicht brauchen wir genau ein Narrativ wie dieses als niederschwelligen Anreiz für die Transformation.
2. Wir müssen Innovation intertemporal statt linear denken.
In den USA und Asien gibt es mittlerweile so kurze Innovationszyklen – unsere Firmen können davon nur träumen. Kein Wunder, wenn man sich ansieht, was dort an Geld reingepumpt wird. Frank Keuper sieht das Problem aber insbesondere hierzulande auch darin, dass Innovation zu linear gedacht werde. Es wird zwar schrittweise verbessert, aber an die großen Neuentwicklungen traut sich keiner ran. Es ist eben gemütlicher in der Komfortzone – bis man irgendwann vor der Klippe aufwacht und das Chaos ausbricht.
Mein Gesprächspartner macht sich für ein neues Innovationsdenken stark: „Wir müssen Innovation nicht mehr nur linear, sondern intertemporal denken und umsetzen. Lineares Innovieren ist nichts anderes als die Entwicklung vom iPhone 1 zum aktuellen iPhone oder von Netflix-Staffel 1 House of Cards zu Staffel 13. Jede dieser Innovationen auf dem beschrittenen linearen Weg ist besser, schneller, cooler und mit höherer Funktionalität ausgestattet, aber nicht wirklich neu. Das Problem beim linearen Innovieren besteht darüber hinaus auch darin, dass wir nicht nur die Funktionalität linear in die Zukunft fortschreiben, sondern auch die mit den Innovationen einhergehenden Kollateralschäden in den Bereichen Responsibility und Sustainability.
An die Stelle eines linearen Innovierens muss daher ein intertemporales Innovieren treten. Wie im Science-Fiction-Blockbuster Tenet. Bei Tenet gibt es ein sich anbahnendes Problem in der Zukunft, wie z. B. bei uns der Klimawandel oder das generelle Überschreiten der planetaren Grenzen. Man lässt bei Tenet eine Gruppe von Menschen in die Vergangenheit reisen, um herauszufinden, welche Fehler gemacht wurden. Die andere Gruppe reist in die Zukunft, um zu schauen, welche Katastrophe in der Zukunft, durch Entscheidungen in der Gegenwart, entsteht. Das heißt, beim untertemporalen Innovieren bewegt sich die eine Analyse in Richtung Zukunft. Sie sieht, was schon bald kommen wird. Die andere Analyse nähert sich der Vergangenheit, expliziert noch einmal was war. Die dritte betrachtet die Gegenwart, sie demaskiert den Status quo. Indem sie alle kommunizieren, schließen sie die Zeit kurz. Eine dadurch manipulierte Gegenwart führt zu einer alternativen, vom Unternehmen gestalteten Zukunft. So entstehen produktive Unternehmens- und Geschäftsstrategien sowie Produkte und Leistungen, die zukunftsfähig sind: profitabel, ökologisch nachhaltig und gesellschaftlich verantwortungsvoll.
Was sagt uns das über die Innovationsfähigkeit im Unternehmen? Es ist eigentlich ganz einfach: Wir müssen uns kritisch sowohl mit den Entscheidungen von gestern als auch mit den Herausforderungen von morgen beschäftigen und diese Perspektiven miteinander matchen. So können wir Ideen und Maßnahmen entwickeln, um einen neuen Weg einzuschlagen. Für alles, was war, haben wir mehr als genügend Daten. Für alles, was kommen wird, bleibt uns nur die Vorstellungskraft. Genau diese Visionsarbeit muss man in den Führungsetagen entsprechend priorisieren. Sonst läuft man nur planlos rum.
3. Führungskräfte, raus aus dem Tagesgeschäft!
Wenn man nicht immer in derselben Suppe schwimmen will, hilft der Blick über den Tellerrand. Genau diesen vermisst Frank Keuper aber in Deutschland und Europa. Man hänge zu sehr in der operativen Arbeit fest, statt sich auf die drängenden Zukunftsfragen zu fokussieren. „Eigentlich sollten sich Politiker null mit administrativem Kram beschäftigen.Sich ernsthaft zu fragen, welches Gesetz wir brauchen, damit irgendwelche Muffen und Schrauben ineinanderpassen? Das können hoch bezahlte und pfiffige Beamte sowie Verwaltungsangestellte machen. […] Von Politik erwarte ich mir Visionen“, gibt der Strategieberater zu denken.
Aber auch in den Vorständen vieler (mittelständischer) Unternehmen kämpft man mit ähnlichen Problemen. „Wenn ich als CEO 80 % meiner Zeit mit dem Tagesgeschäft verbringe, ist das nicht gut fürs Unternehmen“, erklärt Frank Keuper. Er sieht die C-Levels dringend gefordert, sich von den operativen Agenden freizuschaufeln und stattdessen auf Themen wie Strategie, (Employer) Brand und Innovationsfähigkeit zu konzentrieren. Dabei sind die Unternehmen gut beraten, wenn sie ihre Führungsetagen noch viel diverser gestalten: „Wir müssen sowohl im Vorstand als auch im Aufsichtsrat viel mehr bereit sein, andere Expertisen zuzulassen, über den Tellerrand zu schauen. Denn nur dadurch bekomme ich auch Innovation.“
Hört einfach ‘mal rein, wenn ihr wissen wollt, was eigentlich eine Strategieberatung genau macht, wie Mittelständler nachhaltig wachsen können und welche Trends man fürs eigene Unternehmen im Auge behalten sollte.
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