Kreislaufwirtschaft: Warum die Abrissbirne ein Neuanfang sein muss – mit Werner Weingraber (Madaster Austria)

„Wenn die Kreislaufwirtschaft ein 100-Meter-Sprint wäre, dann ist die ganze Industrie erst bei 5 Metern.“ 

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Sustainable Development Goals und Linearwirtschaft? Sorry, aber das geht nicht zusammen. Solange ständig alles neu produziert wird und dafür viel zu viele Ressourcen abgebaut werden, sind auch die meisten nachhaltigen Maßnahmen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wenn wir die SDG erreichen wollen, müssen wir in Kreisläufen denken, vor allem in besonders ressourcenintensiven Branchen wie der Bauindustrie. In dieser Folge diskutiere ich mit Werner Weingraber von Madaster Austria darüber, wie wir das möglich machen können.

Das sind die drei Hauptpunkte 

1. Fast alle Materialien eines Gebäudes sind wiederverwertbar. 

Keine Branche ist derartig groß und zugleich so kleinteilig strukturiert wie die Bauindustrie. Die komplizierten Abhängigkeiten, die daraus entstehen, führen oft genug ins Chaos und langfristig zu einem noch viel größeren Problem: „Bei Gebäuden, die vor 10, 20, 30 oder mehr Jahren errichtet wurden, weiß der Gebäudebesitzer heute in der Regel nicht, welche Produkte und Materialien verbaut sind“, so Werner Weingraber.  

Wenn das Gebäude irgendwann abgerissen wird, landet das meiste einfach auf dem Müll und man zieht sich für das nächste Projekt eben wieder neue Rohstoffe aus der Erde – so zumindest die Logik der Linearwirtschaft. Die Rechnung bekommen wir jetzt serviert. Denn dieser gigantische Ressourcenverbrauch schadet nicht nur der Branche, sondern steht uns auch bei der Erreichung der SDG im Weg. 

Dabei liegt die Lösung denkbar nahe: Recycling. Das Potenzial ist enorm, wird aber noch zu wenig genutzt. „Zirkulär geplant und umgesetzt können bis zu 100 % aller Materialien eines Gebäudes im Kreislauf bleiben, statt auf der Mülldeponie zu landen“, meint Werner Weingraber – vorausgesetzt man weiß, wo man suchen muss. Genau hier kommt Madaster ins Spiel, das diese Informationen in einer Datenbank verfügbar macht. 

2. Macht es verpflichtend, Gebäudedaten zu sammeln! 

Madaster leistet deshalb einen so entscheidenden Beitrag, weil es den Kreislauf zwischen verschiedensten Akteuren in der Baubranche ermöglicht und organisierbar macht. Das Unternehmen bietet eine digitale Schnittstelle zwischen Herstellern, Planenden, Architekten, Bauunternehmen, Bestandhaltern sowie Recyclern und bringt die Daten zusammen, die für die Kreislaufwirtschaft nötig sind. 

Hierzulande passiert das noch auf freiwilliger Basis. In Holland ist man schon ein paar Schritte weiter. Anfang dieses Jahres wurde dort eine Art Gebäudematerialpass eingeführt. Wer an einer öffentlichen Ausschreibung teilnehmen will, ist ab sofort verpflichtet, die entsprechenden Gebäudedaten zu liefern. Wer das nicht kann oder will, disqualifiziert sich selbst. So einfach geht’s, wenn die Politik Mut zeigt und sich zu eindeutigen Gesetzen durchringt. 

Werner Weingraber ist sich sicher, dass eine ähnliche Regelung auch bei uns kommen wird. Und diese Daten werden in Zukunft noch viel wichtiger werden. „Nur so kann ich eine Taxonomie erfüllen und zukünftig Zertifizierungen bekommen. Nur so kann ich günstigere Finanzierungen erhalten […] Und nur so ist auch das Problem des Ressourcenmangels zu lösen“, resümiert er. 

3. „Second-hand” muss die erste Wahl sein. 

Es darf sich in Zukunft nicht mehr lohnen, ständig neues Material zu produzieren. Der Trend geht schon heute klar in Richtung Kreislauf und Unternehmen wie Madaster liefern die dazu notwendigen technischen Lösungen. Trotzdem sieht Werner Weingraber die Entwicklung noch ganz am Anfang: „Wenn die Kreislaufwirtschaft ein 100-Meter-Sprint wäre, dann ist die ganze Industrie erst bei 5 Metern.“  

Muss sich die Branche also auf magere Zeiten einstellen? Ganz im Gegenteil. Das World Economic Forum sieht in der Kreislaufwirtschaft die “business opportunity of our time”. Und die ersten Materialhersteller arbeiten schon mit Hochdruck an der Transformation. Zum Beispiel Heidelberg Minerals, ehemals HeidelbergCement, wo der Zement künftig aus verbauten Produkten gewonnen wird. Ähnliches prognostiziert mein Gesprächspartner bei anderen Materialien: „Wenn wir 20 Jahre nach vorne schauen, dann werden wir nicht mehr darüber reden, was eine Tonne Stahl an der Börse kostet. Wir werden darüber sprechen, was der Primärstahl und was der Sekundärstahl kostet.“ 

Wo Kostendruck, da auch ein Weg! Am Ende haben die Akteure der Bauindustrie genau zwei Möglichkeiten. Entweder man weint den „guten, alten Zeiten“ nach, in denen man sich mit all dem nicht beschäftigen hat müssen. Oder man erkennt die Veränderung als die Chance, die sie ist, übernimmt Verantwortung und beginnt endlich in Kreisläufen zu denken und handeln. Für alle, die im Geschäft bleiben wollen, bleibt nur die zweite Option. 

Mein Gast: Werner Weingraber 

Werner Weingraber ist Geschäftsführer von Madaster Austria und bringt mit seinem Unternehmen die Akteure der Bauindustrie zusammen, um die Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Madaster ist das “Kataster für Materialien” und zielt darauf ab, verbaute Materialien und Produkte wiederverwerten zu können. Damit arbeitet das Unternehmen an einer Lösung, die uns einen großen Schritt weiter in Richtung unserer Nachhaltigkeitsziele bringt.


Hört einmal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freu mich über eure Kommentare!

Das könnte euch auch interessieren:

Aus meinem Podcast: 

Aus meinem Blog: 

Aus dem borisgloger-Blog